Zweites Buch: Der Berg der Verdammnis
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Zweites Buch: Der Berg der Verdammnis
Daten
Umfang: ca. 400 Normseiten
Status: In Überarbeitung
Zusammenfassung:
Nach den Ereignissen auf dem Erdberg überlegt sich Bereth schwer, sein Reise fortzusetzen oder zurückzukehren. Nachdem er jedoch auf die mysteriöse Helsea trifft, die ihn vorübergehend begleiten will, entscheidet auch Bereth, dass der einzige Weg für ihn vorwärts ist, egal welche Gefahren auf ihn warten. Seine seltsame Reisegruppe wird bald noch durch einen Söldner und ein Kobold erweitert.
Nach einem schweren Schicksalsschlag steht auch Klimar vor einer schweren Entscheidung. Weiterhin der königlichen Streitmacht zu dienen oder zurück zu seinen Wurzeln gehen und als Jäger zu arbeiten.
Währenddessen hat Gatera und sein kleiner Spähtrupp den schwarzen Berg Tristurg erreicht. Was er auf dem Berg erlebt und entdeckt, hätte er in seinen kühnsten Träumen nicht erwatet. Die Aussichten lebend nach hause zu gelangen scheinen zu schwinden und doch immer wie wichtiger zu werden.
Umfang: ca. 400 Normseiten
Status: In Überarbeitung
Zusammenfassung:
Nach den Ereignissen auf dem Erdberg überlegt sich Bereth schwer, sein Reise fortzusetzen oder zurückzukehren. Nachdem er jedoch auf die mysteriöse Helsea trifft, die ihn vorübergehend begleiten will, entscheidet auch Bereth, dass der einzige Weg für ihn vorwärts ist, egal welche Gefahren auf ihn warten. Seine seltsame Reisegruppe wird bald noch durch einen Söldner und ein Kobold erweitert.
Nach einem schweren Schicksalsschlag steht auch Klimar vor einer schweren Entscheidung. Weiterhin der königlichen Streitmacht zu dienen oder zurück zu seinen Wurzeln gehen und als Jäger zu arbeiten.
Währenddessen hat Gatera und sein kleiner Spähtrupp den schwarzen Berg Tristurg erreicht. Was er auf dem Berg erlebt und entdeckt, hätte er in seinen kühnsten Träumen nicht erwatet. Die Aussichten lebend nach hause zu gelangen scheinen zu schwinden und doch immer wie wichtiger zu werden.
Re: Zweites Buch: Der Berg der Verdammnis
Leseprobe 1
Prolog: Düstere Gestalten
Dunkle Gewitterwolken zierten den Himmel. Trotzdem fiel kein Regen. Über die hohen schwarzen Klippen des Berges Tristurg hätte man weit in die Menschenlande blicken können, wäre die Sicht nicht durch einen dicken, weißen Nebel verborgen geblieben. Doch Belzefahr interessierte die Witterung nicht, während er selbstherrisch durch die Reihen der tausenden Krieger marschierte, welche die Streitmacht bildeten, die es mit den Reichen der Menschen aufnehmen wollte.
Wolflinge, kleine, giftige Kreaturen. Sie waren flink und hinterhältig, nutzten Gift und attackierten gerne die Rücken ihrer Feinde. Im Gegensatz dazu standen die Leichkrieger, die ihren Gegnern lieber von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden und diese hauptsächlich durch Kraft bezwingen wollten. Brutale Stärke besaßen sie mehr als genug. Sie liebten Blut und hassten die Menschen mehr als alles andere. Sie waren die perfekten Waffen für einen Krieg. Aber noch viel mächtiger waren die Dämonen, die sich zu hunderten auf den höheren Gipfeln des Gebirges niedergelassen hatten und sich von den primitiveren Kreaturen fernhielten. Sie standen nicht nur in Form körperlicher Stärke den Leichkriegern nichts nach, sondern konnten dazu ebenfalls auch Magie nutzen. Es waren intelligente Kreaturen, weshalb sie um einiges schwieriger zu Befehlen waren, denn die anderen Bestien, die sich auf den Höhen und in den Tunneln des mächtigen Berges gesammelt hatten. Schließlich waren die Dämonen stolze Geschöpfe und gehörten zu den ältesten Volker dieser Welt. Wenn sie auch nicht ganz so lange existierten Wie Belzefahr und seine Brüder und auch nicht seiner Macht etwas entgegen setzten konnten.
Belzefahr war ein Chaos Engel, einer von fünf. Sie waren die Bringer von Krieg und Zerstörung und dienten nur einem, dem mächtigsten Wesen, das existierte. Jeder von ihnen besaß einzigartige Kräfte, deren Grauen keines der Völker begreifen konnte. Zumindest noch nicht. Belzefahr trug ein Kleid aus schwarzen Flammen, die sein beflügeltes Abbild nur als Silhouette wiedergab. Er war groß und kräftig gebaut und durch die schwarzen Flammen stachen nur seine goldenen Augen, die mehr sahen, als es den Anschein hatte. Jedes Mal wenn seine Augen auf die eines dieser Kreaturen fielen, wichen die Blicke hastig von ihm Weg. Selbst die roten Augen der Dämonen trauten sich nicht, ihn direkt anzuschauen. Sie hatten alle Angst, dass er direkt in ihre Seelen blicken würde.
Provozierend blickte er auf jedes nahe Geschöpf und verströmte seine unheimlichen Kräfte, so dass diese stinkenden Krieger innert Augenblicke in Angstschweiß badeten und sich von ihm zu entfernen versuchte. Nicht einer von ihnen würden es wagen, ihm zu nahe zu rücken. Er liebte die Furcht dieser niederen Kreaturen. Er ernährte sich regelrecht davon. Bald würden er und seine Brüder noch mehr Angst und Schrecken in der Welt verbreiten, so wie in alten, längst vergangenen Zeiten, lange vor dem jahrtausendlangen Schlaf, als ihre Feinde noch das Alte Volk gewesen war. Doch das Alte Volk existierte nicht mehr. Während die Chaos Engel und ihr Meister noch immer Schrecken verbreitete.
Durch die Anwesenheit von Belzefahr ließen sich die niederen Kreaturen jedoch nicht vom Feiern abhalten. Seit die letzten Leichkrieger den Berg erreicht hatten, nahm das Festen und Trinken auf dem Berg kaum mehr ein Ende. Jede dieser Wesen freute sich auf den Krieg gegen die Menschen. Sie fürchteten ihren eigenen Tod nicht, weil sie siegessicher waren, was ihrer unglaublichen Zahl zu verdanken war. Anders reagierten die Dämonen. Sie kannten die Schrecken eines Krieges nur zu gut und dachten nicht daran, ihr Leben für die Ziele eines anderen zu verschwenden. Deshalb hatte es gekonnte Überredungskünste benötigt, um den Dämonenkönig zu überreden, Truppen nach Tristurg zu senden. Doch selbst der höchste Dämon selbst fürchtete die Macht der Chaos Engel und ihres Meisters und hatte schließlich nachgegeben und eine beachtliche Zahl an Krieger gesandt, die sich mit den Dämonen vereint hatten, die bereits seit Urzeiten über diesen verfluchten Berg wachten. Die Dämonen hielten sich aus dem Feiern heraus. Sie mieden andere Völker und würden unter normalen Umständen nicht an der Seite von Leichkriegern und Wolflingen kämpfen. Aber der kommende Krieg würde alles andere als normal werden.
Ein Dämon, der über die Adern der dunklen Streitmacht flatterte, landete neben dem Chaos Engel. Er war groß, größer als seine Artgenossen. Sein schwarzhäutiges Gesicht trug eine tiefe Narbe, die eines seiner blutroten Augen durchtrennt hatte und dieses erbleichen ließ. Doch das andere strahlte dafür einen umso größeren Stolz aus.
»Jholark, was hast du mir zu berichten?«, knurrte Belzefahr mit seiner eindrucksvollen und tiefen Stimme.
Jholark war der Anführer der Dämonen, die einst über diesen Berg geherrscht hatten, bevor Belzefahr und seine Brüder diesen Ort im Namen ihres Meisters für sich beansprucht hatten. Jholar war selbstbewusst, den seine Kräfte kamen denen der Chaos Engel fast gleich. Doch war er nicht dumm und wusste, wann man sich unterwürfig zeigen musste.
Nach einem kurzen Zögern, in dem er mit seinem Stolz rang, ging er vor dem Wesen mit dem schwarzen Flammenkleid auf die Knie und erklärte: »Die Dämonenscharen, welche uns der Dämonenkönig gesandt hat, sind eingetroffen. Es fehlen jedoch noch einige Leichkrieger und Wolflinge aus dem Südlichen Kontinent.«
»Das macht nichts! Wir hatten von Anfang an nicht erwartet, dass so viele bis hierher gelangen würden. Es sind auf jeden Fall mehr Krieger versammelt, als wir erwartet hatten. Sieh zu, dass sie sich noch eine Weile amüsieren, bald geht es los!«
Lachend ging Belzefahr davon und auch Jholark erhob sich mit einem Flügelklatschen.
Zufrieden verließ Belzefahr die Feiernden und ging in eine Höhle, die tief in den Berg hineinführte und noch weit tiefere Tunnel besaß, die unter dem weiten Land hindurchführten. Es reichte ihm jedoch einen größeren Raum erreicht zu haben, der so dunkel war, dass das menschliche Auge die Gestalten, welche sich hier versammelt hatten, nicht deuten konnte und verborgen blieben. Er ging zu drei seiner Brüder. Einer fehlte noch, was ihm keine großen Sorgen machte. Dann richtete er sich zum Gegenstand in der Mitte. Ein Thron, gehauen aus einer Steinsäule, die das Zentrum des rundlichen Raumes bildete. Die Lehne führte immer noch bis zur Decke, doch war ein Sitz in das Gestein gefertigt worden, wo eine Gestalt saß, deren äußere Züge in der Dunkelheit nur schemenhaft zu erkennen war.
»Nun, Belzefahr, wie sieht es aus?«, fragte die Gestalt auf dem Thron, dessen männliche Stimme sich dumpf anhörte, als würde sie hinter einer Eisenwand hervordringen, während es jedes Mal knarrte, wenn er sich bewegte. Was nicht oft geschah.
»Es sind mehr gekommen, als wir erwartet haben, Meister! Ich sehe keinen Grund für weitere Verzögerungen!«, erklärte der Chaos Engel unterwürfig, was sonst nicht zu seiner Natur passte.
»Sehr gut!«, lachte die Gestalt düster. »Wir werden noch auf Orishmar warten. Bin mir sicher, dass er sich nicht lange Zeit nehmen wird. Der Krieg gegen die Menschen beginnt bald. Nur können wir kaum verlieren, wenn ihr, meine treuen Diener, die Geschöpfe dort draußen in die Schlacht führt.«
»Nur…«, sprach Belzefahr und hielt dann inne.
»Was ist? Hast du Zweifel oder glaubst, wir könnten nicht gewinnen?«
»Nein, das ist es bestimmt nicht«, erwiderte der Chaos Engel und wusste selbst kaum, warum er Einwende verspürte, doch sagte er schließlich. »Ich kann nur euren Gedankengang nicht verstehen. Wäre es nicht besser, unsere Festung im Südwesten zu stärken, als hier eine Streitmacht zu sammeln?«
»Dieser Berg ist doch besser als jegliche Festung«, sprach die Gestalt, »und wird nicht von diesen nervigen Elfen bewacht! Ich dachte, du würdest dich nach all den Jahren des Nichtstuns und ewigen Schlafens freuen, wieder in die Schlacht ziehen zu können?«
»Das tue ich auch, Meister. Jeder meiner Muskeln zuckt nur beim Gedanken an die kommenden Schlachten. Ich verstehe nur nicht, warum hier?«
Das Wesen auf dem Thron stand auf, dabei knarrte es, als würde ein alter, rostiger Mechanismus in Gang gesetzt. »Wir besitzen noch nicht die Mittel, um gegen die Elfen etwas ausrichten zu können. Sie haben Augen und Ohren überall um die Festung. Bevor wir eine Streitmacht aufgestellt haben, werden sie bereits mit einer weitaus Mächtigeren vor uns stehen und uns und unsere noch vom langen Schlaf müden Fähigkeit überrennen. Wir werden deinen gewünschten Krieg führen, doch brauchen wir für die Vorbereitungen mehr Zeit. Bis dahin werden wir uns … sagen wir, amüsieren. Warum hier? Nun siehe selbst wie leicht und schnell es ging eine angemessene Streitmacht zu errichten und wie lange es gedauert hat, bis die Menschen davon erfuhren. Doch der eigentliche Grund liegt woanders, denn hier unter diesem Land liegt das einzige, körperliche Geschöpf, welches verweigert hat, mir zu dienen. Ich möchte seine Stärke besitzen!«
»Ich weiß, dass er hier ist. Doch gibt es von diesem Berg aus nicht ebenfalls einen Zugang zu seinen Hallen? Haben nicht die Dämonen hier die Eingänge zu seinen Stätten bewacht?«
»So ist es!«, sagte die Gestalt seufzend und setzte sich wieder hin. »Ich war bereits unten in den Katakomben. Doch haben die Elementarwächter die Hallen mit Fallen gespickt, die selbst für jemanden wie mich eine Gefahr darstellt. Selbst meine Kräfte sind ihnen nicht gewachsen. Aber es gibt noch einen anderen Zugang, Belzefahr, kaum jemand kennt ihn, doch er existiert. Weit im Süden im einst von Erz gefüllten Gebirge Carmel gruben die Zwerge, noch lange bevor die Menschen dieses Land besiedelt haben, einen Tunnel in die Tiefen, wo das Geschöpf meiner Begierde gefangen gehalten wird. Seine unbeschreibliche Macht trieb das tüchtige Volk in den Wahnsinn und rottete die Stämme, die sich in dem Gebirge breitgemacht haben, aus, obwohl er weiterhin in Gefangenschaft ist. Die Elfen versiegelten danach seinen Zugang und bauten eine mächtige Festung um diesen. Die Menschen bewachen diese Festung noch bis zum heutigen Tage, unbewusst, für was diese wirkliche steht. Doch die Menschen dürfen von seiner Existenz nicht erfahren, denn auch sie würden nach seiner Macht gieren, wie ich nach ihr giere! Die einzige Möglichkeit bleibt ein Feldzug gegen die Menschen dieses Landes zu führen und für dies gibt es keinen besseren Sitz als dieser Berg, Tristurg!«
»Vielen Dank, Meister, für eure offenen Worte. Ich kann mich nun mit voller Zuversicht in die kommenden Schlachten stürzen!«
In diesem Moment tauchte der fünfte Chaos Engel am Eingang des Raumes auf, der ebenfalls ein schwarzes Flammenkleid wie seine Brüder trug, welche selbst die Finsternis der eingehöhlten Halle noch verdunkelte. Er war kleiner und etwas schmächtiger als Belzefahr oder seine drei anderen groß gewachsenen Brüder, doch wirkte er kaum weniger mächtig. Der Neuankömmling schien erschöpft zu sein, verbeugte sich aber freudig vor seinem Meister.
»Orishmar, was für ein vortrefflicher Zeitpunkt. Dann können wir unseren Kriegern berichten, dass sie sich bereithalten sollten«, erklärte die Gestalt zu seinen fünf mächtigen Dienern gewandt.
»Meister!«, keuchte Orishmar. »Ich habe Nachrichten, die euch interessieren werden!«
»Dann sprich!«, sagte derjenige auf dem Thron ungeduldig.
»Der…«, er musste zuerst zu Atem kommen, »der Elementardrache der Erde, Eterossa, er ist… er ist von seinem bekannten Aufenthaltsort verschwunden!«
Wieder stand die Gestalt unter lautem Knarren abrupt auf. Sein gedämpftes Lachen dröhnte durch den Raum.
»Großartig! Oh, Mutter, du beweist wieder einmal deine fabelhafte Voraussicht. Mir genau jetzt einen würdigen Feind vorzuwerfen. Ich muss mich zur Abwechslung bei dir bedanken«, er wandte sich herrisch zu den Chaos Engel: »Ich denke, wir ändern unseren Plan ein kleinwenig. Belzefahr, du und Nelzefahr werdet wie geplant die Streitmacht anführen. Ihr wisst, was zu tun ist!«, die Gestalt stellte hier keine Frage. »Dann für euch drei Salzemahr, Talnaf und natürlich Orishmar, der mir die Kunde gebracht hat, für euch habe ich einen speziellen Auftrag. Sucht denjenigen, der den Pfad der Elemente abschreitet. Sucht ihn und testet ihn, ob er meiner Macht würdig ist!«, er lachte wieder eisern und die Drei gingen nicht unglücklich davon, während sie untereinander über ein kleines Jagdspiel diskutierten. »Ihr beiden«, erklärte die Gestalt weiter, »ihr berichtet den Bestien dort draußen. Heute Nacht wird gefeiert, im Morgengrauen, marschieren wir los!«
Belzefahr und sein Bruder ließen die Gestalt, welche sich zurück auf den Thron setzte, alleine. Doch der Schein trog. Er war nicht alleine. Im hinteren Teil des Raumes, verborgen im Schatten, weil auch seine schuppige Haut eine dunkle Farbe besaß, lag eine riesige Bestie, welche sich nun reckte und seinen länglichen Kopf neben den Thron legte. Der andere fuhr mit seiner kalten Hand über das Haupt des ihm treuen Monstrums.
»Du bist nicht glücklich wegen meiner Entscheidung, ausgerechnet deinen Erzfeind zu befreien, nicht wahr, Loki?«
Die Bestie schnaubte.
»Du wirst es leider ertragen müssen!«
Der freudige Jubel der Bestien auf dem Berggipfel, welche gerade die Kunde vom morgigen Abmarsch vernommen hatten, drang zu ihnen in den Raum. Die Gestalt lachte laut auf und die Bestie brüllte zustimmend mit.
Prolog: Düstere Gestalten
Dunkle Gewitterwolken zierten den Himmel. Trotzdem fiel kein Regen. Über die hohen schwarzen Klippen des Berges Tristurg hätte man weit in die Menschenlande blicken können, wäre die Sicht nicht durch einen dicken, weißen Nebel verborgen geblieben. Doch Belzefahr interessierte die Witterung nicht, während er selbstherrisch durch die Reihen der tausenden Krieger marschierte, welche die Streitmacht bildeten, die es mit den Reichen der Menschen aufnehmen wollte.
Wolflinge, kleine, giftige Kreaturen. Sie waren flink und hinterhältig, nutzten Gift und attackierten gerne die Rücken ihrer Feinde. Im Gegensatz dazu standen die Leichkrieger, die ihren Gegnern lieber von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden und diese hauptsächlich durch Kraft bezwingen wollten. Brutale Stärke besaßen sie mehr als genug. Sie liebten Blut und hassten die Menschen mehr als alles andere. Sie waren die perfekten Waffen für einen Krieg. Aber noch viel mächtiger waren die Dämonen, die sich zu hunderten auf den höheren Gipfeln des Gebirges niedergelassen hatten und sich von den primitiveren Kreaturen fernhielten. Sie standen nicht nur in Form körperlicher Stärke den Leichkriegern nichts nach, sondern konnten dazu ebenfalls auch Magie nutzen. Es waren intelligente Kreaturen, weshalb sie um einiges schwieriger zu Befehlen waren, denn die anderen Bestien, die sich auf den Höhen und in den Tunneln des mächtigen Berges gesammelt hatten. Schließlich waren die Dämonen stolze Geschöpfe und gehörten zu den ältesten Volker dieser Welt. Wenn sie auch nicht ganz so lange existierten Wie Belzefahr und seine Brüder und auch nicht seiner Macht etwas entgegen setzten konnten.
Belzefahr war ein Chaos Engel, einer von fünf. Sie waren die Bringer von Krieg und Zerstörung und dienten nur einem, dem mächtigsten Wesen, das existierte. Jeder von ihnen besaß einzigartige Kräfte, deren Grauen keines der Völker begreifen konnte. Zumindest noch nicht. Belzefahr trug ein Kleid aus schwarzen Flammen, die sein beflügeltes Abbild nur als Silhouette wiedergab. Er war groß und kräftig gebaut und durch die schwarzen Flammen stachen nur seine goldenen Augen, die mehr sahen, als es den Anschein hatte. Jedes Mal wenn seine Augen auf die eines dieser Kreaturen fielen, wichen die Blicke hastig von ihm Weg. Selbst die roten Augen der Dämonen trauten sich nicht, ihn direkt anzuschauen. Sie hatten alle Angst, dass er direkt in ihre Seelen blicken würde.
Provozierend blickte er auf jedes nahe Geschöpf und verströmte seine unheimlichen Kräfte, so dass diese stinkenden Krieger innert Augenblicke in Angstschweiß badeten und sich von ihm zu entfernen versuchte. Nicht einer von ihnen würden es wagen, ihm zu nahe zu rücken. Er liebte die Furcht dieser niederen Kreaturen. Er ernährte sich regelrecht davon. Bald würden er und seine Brüder noch mehr Angst und Schrecken in der Welt verbreiten, so wie in alten, längst vergangenen Zeiten, lange vor dem jahrtausendlangen Schlaf, als ihre Feinde noch das Alte Volk gewesen war. Doch das Alte Volk existierte nicht mehr. Während die Chaos Engel und ihr Meister noch immer Schrecken verbreitete.
Durch die Anwesenheit von Belzefahr ließen sich die niederen Kreaturen jedoch nicht vom Feiern abhalten. Seit die letzten Leichkrieger den Berg erreicht hatten, nahm das Festen und Trinken auf dem Berg kaum mehr ein Ende. Jede dieser Wesen freute sich auf den Krieg gegen die Menschen. Sie fürchteten ihren eigenen Tod nicht, weil sie siegessicher waren, was ihrer unglaublichen Zahl zu verdanken war. Anders reagierten die Dämonen. Sie kannten die Schrecken eines Krieges nur zu gut und dachten nicht daran, ihr Leben für die Ziele eines anderen zu verschwenden. Deshalb hatte es gekonnte Überredungskünste benötigt, um den Dämonenkönig zu überreden, Truppen nach Tristurg zu senden. Doch selbst der höchste Dämon selbst fürchtete die Macht der Chaos Engel und ihres Meisters und hatte schließlich nachgegeben und eine beachtliche Zahl an Krieger gesandt, die sich mit den Dämonen vereint hatten, die bereits seit Urzeiten über diesen verfluchten Berg wachten. Die Dämonen hielten sich aus dem Feiern heraus. Sie mieden andere Völker und würden unter normalen Umständen nicht an der Seite von Leichkriegern und Wolflingen kämpfen. Aber der kommende Krieg würde alles andere als normal werden.
Ein Dämon, der über die Adern der dunklen Streitmacht flatterte, landete neben dem Chaos Engel. Er war groß, größer als seine Artgenossen. Sein schwarzhäutiges Gesicht trug eine tiefe Narbe, die eines seiner blutroten Augen durchtrennt hatte und dieses erbleichen ließ. Doch das andere strahlte dafür einen umso größeren Stolz aus.
»Jholark, was hast du mir zu berichten?«, knurrte Belzefahr mit seiner eindrucksvollen und tiefen Stimme.
Jholark war der Anführer der Dämonen, die einst über diesen Berg geherrscht hatten, bevor Belzefahr und seine Brüder diesen Ort im Namen ihres Meisters für sich beansprucht hatten. Jholar war selbstbewusst, den seine Kräfte kamen denen der Chaos Engel fast gleich. Doch war er nicht dumm und wusste, wann man sich unterwürfig zeigen musste.
Nach einem kurzen Zögern, in dem er mit seinem Stolz rang, ging er vor dem Wesen mit dem schwarzen Flammenkleid auf die Knie und erklärte: »Die Dämonenscharen, welche uns der Dämonenkönig gesandt hat, sind eingetroffen. Es fehlen jedoch noch einige Leichkrieger und Wolflinge aus dem Südlichen Kontinent.«
»Das macht nichts! Wir hatten von Anfang an nicht erwartet, dass so viele bis hierher gelangen würden. Es sind auf jeden Fall mehr Krieger versammelt, als wir erwartet hatten. Sieh zu, dass sie sich noch eine Weile amüsieren, bald geht es los!«
Lachend ging Belzefahr davon und auch Jholark erhob sich mit einem Flügelklatschen.
Zufrieden verließ Belzefahr die Feiernden und ging in eine Höhle, die tief in den Berg hineinführte und noch weit tiefere Tunnel besaß, die unter dem weiten Land hindurchführten. Es reichte ihm jedoch einen größeren Raum erreicht zu haben, der so dunkel war, dass das menschliche Auge die Gestalten, welche sich hier versammelt hatten, nicht deuten konnte und verborgen blieben. Er ging zu drei seiner Brüder. Einer fehlte noch, was ihm keine großen Sorgen machte. Dann richtete er sich zum Gegenstand in der Mitte. Ein Thron, gehauen aus einer Steinsäule, die das Zentrum des rundlichen Raumes bildete. Die Lehne führte immer noch bis zur Decke, doch war ein Sitz in das Gestein gefertigt worden, wo eine Gestalt saß, deren äußere Züge in der Dunkelheit nur schemenhaft zu erkennen war.
»Nun, Belzefahr, wie sieht es aus?«, fragte die Gestalt auf dem Thron, dessen männliche Stimme sich dumpf anhörte, als würde sie hinter einer Eisenwand hervordringen, während es jedes Mal knarrte, wenn er sich bewegte. Was nicht oft geschah.
»Es sind mehr gekommen, als wir erwartet haben, Meister! Ich sehe keinen Grund für weitere Verzögerungen!«, erklärte der Chaos Engel unterwürfig, was sonst nicht zu seiner Natur passte.
»Sehr gut!«, lachte die Gestalt düster. »Wir werden noch auf Orishmar warten. Bin mir sicher, dass er sich nicht lange Zeit nehmen wird. Der Krieg gegen die Menschen beginnt bald. Nur können wir kaum verlieren, wenn ihr, meine treuen Diener, die Geschöpfe dort draußen in die Schlacht führt.«
»Nur…«, sprach Belzefahr und hielt dann inne.
»Was ist? Hast du Zweifel oder glaubst, wir könnten nicht gewinnen?«
»Nein, das ist es bestimmt nicht«, erwiderte der Chaos Engel und wusste selbst kaum, warum er Einwende verspürte, doch sagte er schließlich. »Ich kann nur euren Gedankengang nicht verstehen. Wäre es nicht besser, unsere Festung im Südwesten zu stärken, als hier eine Streitmacht zu sammeln?«
»Dieser Berg ist doch besser als jegliche Festung«, sprach die Gestalt, »und wird nicht von diesen nervigen Elfen bewacht! Ich dachte, du würdest dich nach all den Jahren des Nichtstuns und ewigen Schlafens freuen, wieder in die Schlacht ziehen zu können?«
»Das tue ich auch, Meister. Jeder meiner Muskeln zuckt nur beim Gedanken an die kommenden Schlachten. Ich verstehe nur nicht, warum hier?«
Das Wesen auf dem Thron stand auf, dabei knarrte es, als würde ein alter, rostiger Mechanismus in Gang gesetzt. »Wir besitzen noch nicht die Mittel, um gegen die Elfen etwas ausrichten zu können. Sie haben Augen und Ohren überall um die Festung. Bevor wir eine Streitmacht aufgestellt haben, werden sie bereits mit einer weitaus Mächtigeren vor uns stehen und uns und unsere noch vom langen Schlaf müden Fähigkeit überrennen. Wir werden deinen gewünschten Krieg führen, doch brauchen wir für die Vorbereitungen mehr Zeit. Bis dahin werden wir uns … sagen wir, amüsieren. Warum hier? Nun siehe selbst wie leicht und schnell es ging eine angemessene Streitmacht zu errichten und wie lange es gedauert hat, bis die Menschen davon erfuhren. Doch der eigentliche Grund liegt woanders, denn hier unter diesem Land liegt das einzige, körperliche Geschöpf, welches verweigert hat, mir zu dienen. Ich möchte seine Stärke besitzen!«
»Ich weiß, dass er hier ist. Doch gibt es von diesem Berg aus nicht ebenfalls einen Zugang zu seinen Hallen? Haben nicht die Dämonen hier die Eingänge zu seinen Stätten bewacht?«
»So ist es!«, sagte die Gestalt seufzend und setzte sich wieder hin. »Ich war bereits unten in den Katakomben. Doch haben die Elementarwächter die Hallen mit Fallen gespickt, die selbst für jemanden wie mich eine Gefahr darstellt. Selbst meine Kräfte sind ihnen nicht gewachsen. Aber es gibt noch einen anderen Zugang, Belzefahr, kaum jemand kennt ihn, doch er existiert. Weit im Süden im einst von Erz gefüllten Gebirge Carmel gruben die Zwerge, noch lange bevor die Menschen dieses Land besiedelt haben, einen Tunnel in die Tiefen, wo das Geschöpf meiner Begierde gefangen gehalten wird. Seine unbeschreibliche Macht trieb das tüchtige Volk in den Wahnsinn und rottete die Stämme, die sich in dem Gebirge breitgemacht haben, aus, obwohl er weiterhin in Gefangenschaft ist. Die Elfen versiegelten danach seinen Zugang und bauten eine mächtige Festung um diesen. Die Menschen bewachen diese Festung noch bis zum heutigen Tage, unbewusst, für was diese wirkliche steht. Doch die Menschen dürfen von seiner Existenz nicht erfahren, denn auch sie würden nach seiner Macht gieren, wie ich nach ihr giere! Die einzige Möglichkeit bleibt ein Feldzug gegen die Menschen dieses Landes zu führen und für dies gibt es keinen besseren Sitz als dieser Berg, Tristurg!«
»Vielen Dank, Meister, für eure offenen Worte. Ich kann mich nun mit voller Zuversicht in die kommenden Schlachten stürzen!«
In diesem Moment tauchte der fünfte Chaos Engel am Eingang des Raumes auf, der ebenfalls ein schwarzes Flammenkleid wie seine Brüder trug, welche selbst die Finsternis der eingehöhlten Halle noch verdunkelte. Er war kleiner und etwas schmächtiger als Belzefahr oder seine drei anderen groß gewachsenen Brüder, doch wirkte er kaum weniger mächtig. Der Neuankömmling schien erschöpft zu sein, verbeugte sich aber freudig vor seinem Meister.
»Orishmar, was für ein vortrefflicher Zeitpunkt. Dann können wir unseren Kriegern berichten, dass sie sich bereithalten sollten«, erklärte die Gestalt zu seinen fünf mächtigen Dienern gewandt.
»Meister!«, keuchte Orishmar. »Ich habe Nachrichten, die euch interessieren werden!«
»Dann sprich!«, sagte derjenige auf dem Thron ungeduldig.
»Der…«, er musste zuerst zu Atem kommen, »der Elementardrache der Erde, Eterossa, er ist… er ist von seinem bekannten Aufenthaltsort verschwunden!«
Wieder stand die Gestalt unter lautem Knarren abrupt auf. Sein gedämpftes Lachen dröhnte durch den Raum.
»Großartig! Oh, Mutter, du beweist wieder einmal deine fabelhafte Voraussicht. Mir genau jetzt einen würdigen Feind vorzuwerfen. Ich muss mich zur Abwechslung bei dir bedanken«, er wandte sich herrisch zu den Chaos Engel: »Ich denke, wir ändern unseren Plan ein kleinwenig. Belzefahr, du und Nelzefahr werdet wie geplant die Streitmacht anführen. Ihr wisst, was zu tun ist!«, die Gestalt stellte hier keine Frage. »Dann für euch drei Salzemahr, Talnaf und natürlich Orishmar, der mir die Kunde gebracht hat, für euch habe ich einen speziellen Auftrag. Sucht denjenigen, der den Pfad der Elemente abschreitet. Sucht ihn und testet ihn, ob er meiner Macht würdig ist!«, er lachte wieder eisern und die Drei gingen nicht unglücklich davon, während sie untereinander über ein kleines Jagdspiel diskutierten. »Ihr beiden«, erklärte die Gestalt weiter, »ihr berichtet den Bestien dort draußen. Heute Nacht wird gefeiert, im Morgengrauen, marschieren wir los!«
Belzefahr und sein Bruder ließen die Gestalt, welche sich zurück auf den Thron setzte, alleine. Doch der Schein trog. Er war nicht alleine. Im hinteren Teil des Raumes, verborgen im Schatten, weil auch seine schuppige Haut eine dunkle Farbe besaß, lag eine riesige Bestie, welche sich nun reckte und seinen länglichen Kopf neben den Thron legte. Der andere fuhr mit seiner kalten Hand über das Haupt des ihm treuen Monstrums.
»Du bist nicht glücklich wegen meiner Entscheidung, ausgerechnet deinen Erzfeind zu befreien, nicht wahr, Loki?«
Die Bestie schnaubte.
»Du wirst es leider ertragen müssen!«
Der freudige Jubel der Bestien auf dem Berggipfel, welche gerade die Kunde vom morgigen Abmarsch vernommen hatten, drang zu ihnen in den Raum. Die Gestalt lachte laut auf und die Bestie brüllte zustimmend mit.
Re: Zweites Buch: Der Berg der Verdammnis
Leseprobe 2:
1. Kapitel: Ein diebisches Lächeln für blauen Marmor
Sie hatten Bereth in eine nahe Stadt gebracht und dort in den Kerker geworfen. Die Soldaten hatten ihm keine weiteren Informationen gegeben und nur gesagt, dass der Hauptmann sich um ihn kümmern würde. Aber die ganze Nacht war niemand mehr zu ihm gekommen. In seiner Zelle hatte es nur nassen Stroh, welches wohl sein Bett darstellen sollte und einen stinkenden Topf für seine Geschäfte. Bereth hatte jedoch die ganze Nacht nicht geschlafen. Er war nur in seiner Zelle gesessen und hatte über die Ereignisse nachgedacht. Er wusste nicht, ob dieser ruhige Moment ein Segen oder Fluch war, da er Zeit hatte das erlebte zu verarbeiten. Manchmal kam ihm noch alles wie ein Traum vor, der Kampf mit dem Drachen, Baren und Lerim, die dabei ihr Leben hatten geben müssen. Er wünschte sich, alles wäre nur ein Traum gewesen. Aber er wusste, dass es real gewesen war. Außerdem hatte er langsam genug von Träumen.
Ein kleines schmales Fenster, welches für fünf düstere Zellen in diesem Kerker zuständig war, zeigte ihm an, dass es morgen wurde. Er war nicht alleine hier. Ein abgemagerter Tagedieb hatte man ebenfalls in eine Zelle gesperrt und man ließ ihn anscheinend einfach hier verrotten. Der Kerl plapperte wirren Zeugs zu sich selbst und achtete nicht darauf, wenn Bereth ihn etwas fragen wollte. Das Mischblut fragte sich, ob sie ihn hier ebenfalls gefangen halten würden, bis er verrückt wurde. Er fand sich bereits in solch kurzer Zeit in Gefangenschaft, wie er gedanklich bereits resignierte, dass alles keinen Sinn hatte, er eh schon verrückt sein musste und es keine Zukunft für ihn gab, ob er frei war oder in dieser Zelle verrottete. Die Energie und den Mut, welche ihm die seltsamen Lichter im Drachennest verliehen hatten, waren vergangen und erneute Zweifel an seinem seltsamen Abenteuer plagten ihn. Wasserschrein? Woher sollte er wissen, wo dieser sich befand? Wenn er überhaupt nach ihm suchen würde, falls man ihn aus dieser Zelle herausließ. Das waren viele Wenn und Aber. Eins wusste er jedoch mit Sicherheit. Er würde die Prüfungen alleine in Angriff nehmen müssen. Nie mehr wollte er das Drama mit Baren und Lerim widerholen lassen. Er hatte seine Lektion gelernt. Aber mit Einsamkeit kante er sich gut aus, das war kein Problem mehr für ihn.
Die Soldaten hatten ihm alles abgenommen, nicht nur Barens Schwert sondern auch sein Rucksack mit seinem spärlichen Hab und Gut drin. Nun fast alles hatten sie ihm genommen. Seinen neuen Brustpanzer hatten sie ihm nicht abnehmen können, der war wie an Bereth angeschmolzen, und der Geldbeutel, den er von seinem Vater erhalten hatte, war seit seiner Flucht aus Mengan dort in seiner Hose versteckt, wo ihn nur wenige suchen würden und auch die Soldaten hatten ihn nicht so gründlich nach anderen Waffen und Dingen abgetastet. Er fragte sich, ob er sich wohl frei kaufen könnte? Aber wenn er den Soldaten von seinem Geld erzählte, würden sie es ihm einfach abnehmen und ihn wirklich hier verrotten lassen, damit er niemandem von dieser Ungerechtigkeit erzählen konnte. Es musste einen anderen Weg aus der Zelle geben. Der Hauptmann würde sicher verstehen. Bereth hatte nichts Falsches getan und bald stand er wieder auf freiem Fuß, mit all seinen Sachen und Barens Schwert. Dann würde er sich wohl als erstes etwas zu essen kaufen. Er hatte seit gestern Abend nichts gegessen und jetzt hätte er eine Herde Kühe essen können. Er bereute es, gestern Nacht in dem Wald nicht auf die Jagd gegangen zu sein. Eigentlich bereute er es überhaupt diesen Wald betreten zu haben. Deshalb war er erst in dieser Lage. Seit wann war es verboten Wälder zu betreten?
Der Ausgang aus dem Kerker führte über eine Treppe zu einem verstärkten Tor, das ebenfalls verschlossen war durch den Kerkermeister. Neben dem Kerkermeister, ein kleiner, giftiger Kerl, der gerne andere Leute herumschubste, befanden sich noch andere Wachen hinter dem Tor, die einen Ausbruch verhindern sollten. Aber Bereth konnte nicht einmal an den Gitterstäben vorbei und er blickte sehnsüchtig zu der Türe und hoffte, dass bald jemand kam, der Hauptmann, der ihn hier endlich herausholen würde. In diesem Moment erklang ein riesiger Tumult hinter der Türe. Eine Frau kreischte und dann schrie ein Mann: »Sie hat mich gebissen. Diese Hure hat mich in meine Hand gebissen!«
Danach erklang ein dumpfer Schlag und die Frauenstimme verstummte und eine dominante Stimme antwortete strickt: »Lass das gefälligst. Wir brauchen sie bei Bewusstsein!«
»Tut mir leid, Hauptmann. Ich habe die Kontrolle über mich verloren.«
Hauptmann? Na endlich, dachte sich Bereth. Jetzt würde er bald hier aus dem Kerker weg sein.
»Du bleibst hier und lässt deine Hand verbinden. Wir können den Rest alleine erledigen«, befahl der Hauptmann und Bereth hörte wie sich jemand an dem Schloss des Tores zu schaffen machte. Sofort sprang er hoch an die Gitterstäbe, um besser sehen zu können, wer genau den Kerker betrat. Selbst der Verrückte war verstummt, hatte sich aber ganz an das Ende seiner Zelle verkrochen. Er wollte wohl nichts von allem wissen.
»Und du, Mädchen, benimmst dich gefälligst oder ich übergebe dich meinen Männern, anstelle dir einen fairen Prozess zu geben«, erklärte der Hauptmann als die Türe zum Kerker aufschoss.
»Fair? Für euch hinterhältige Halunken ist doch jeder schuldig«, fluchte sie, aber ihre Gegenwehr schien verebbt zu sein.
Mit festen Schritten lief ein stämmiger Mann die Stufen runter. Er trug eine schwere Rüstung und purpurne Unterkleider wie die Soldaten, die Bereth gefangen genommen hatten. Es war ein Man im mittleren Alter, der kurze, braune Haare und einen gepflegten Vollbart trug. Ein selbstgefälliges Lächeln und weiße Zähne blitzten hinter den Haaren hervor. Der Mann schien mit sich zufrieden zu sein. Im Schlepptau hatte er eine junge, zierliche Frau. Sie hatte lange schwarzes Haar, die sie mit einfachen Nadeln hochgesteckt hatte. Sie trug ein rotes Hemd und darüber eine lederne Weste. Außerdem hatte sie Hosen an und schwere Stiefel, die sonst nur Männer trugen. Auf ihrer Stirn hatte sich eine blutige Wunde gebildet, wahrscheinlich von einem schweren Schlag. Unter dem Blut lugten tiefgründige und kämpferische braune Augen hervor. Ihre Hände waren gefesselt und der Hauptmann zog sie barsch hinter sich her, so dass sie fast von den Stufen stürzte. Doch ihre Beine waren geschickt und verhinderten schlimmeres. Dahinter traten noch zwei Männer ein, die Bereth in dieser Nacht hatte besser kennen gelernt, als er sich gewünscht hätte. Der kleine, gekrümmte mit den zerzausten Haaren und den Straßenkleider war der Kerkermeister, der andere war der Truppenführer, der Bereth gefangen genommen hatte. Er hielt einen Waffengurt in der Hand, an welchem ein kurzer Säbel und ein Dolch befestigt waren, sowie eine schmale Ledertasche. Er legte den Waffengurt in eine Truhe am Ende des Kerkers und verschloss diese mit einem einfachen Eisenschloss. Bereth schaute genau hin, denn dort lagen auch seine Sachen drin. Nur Barens Schwert nicht. Dies hatte der Soldat an sich genommen. Aber er schien es im Moment nicht bei sich zu tragen.
Als der Hauptmann an seiner Zelle vorbeiging, versuchte Bereth auf sich aufmerksam zu machen. Da kam der Kerkermeister zuvor und schlug mit einer kleinen Keule nach dem Mischblut. Sie war nicht länger als einen Unterarm und nur wenig dicker als ein Besenstiel, aber sie tat trotzdem unglaublich weh, wenn man getroffen wurde. Bereth hatte schon gestern Bekanntschaft mit der Waffe gemacht und sah den Angriff kommen und wich von den Gitterstäben zurück. Die Keule traf das Gitter und ein dumpfer Klang donnerte durch den Kerker. Der Verrückte winselte und schien sogar zu weinen. Niemand schenkte ihm Beachtung.
»Ich komme gleich zu dir, Junge«, erklärte der Hauptmann und drückte seine Gefangene gegen die Stangen der Zelle gegenüber von Bereth. Es schien ihm zu gefallen, dass sie trotz Gegenwehr seiner Kraft nicht gewachsen war. Sonst achtete er gar nicht auf Bereth und befahl dem Kerkermeister, die leere Zelle zu öffnen. Dieser wich nur ungern zurück, ohne das Mischblut mindestens einmal geschlagen zu haben, aber machte schließlich, was ihm befohlen wurde.
»Aber ich bin unschuldig!«, sagte Bereth energisch.
»Das sagen alle Verbrecher die man fasst.«
»Aber ich wusste nicht, dass es verboten ist, durch den Wald zu wandern.«
Der Hauptmann blickte nun das erste Mal zu ihm rüber und wirkte überrascht bei dem Anblick.
»Was habt ihr denn da gefangen?«, fragte der Hauptmann überrascht den Truppenführer, der zu ihnen aufgeschlossen hatte.
»Weiß nicht genau. Die Männer dachten es sei ein Leichkrieger, weil er vom Berg gekommen war.«
»Ich bin kein Leichkrieger.«
»Nein, definitiv nicht. Sie lassen sich nicht gefangen nehmen. Sie sterben lieber. Du bist zu zahm, um eine solche Kreatur zu sein. Aber wie gesagt, zu dir komme ich noch. «
Der Kerkermeister hatte die Zelle geöffnet und die Gefangene wurde stark hineingeschubst, so dass sie stürzte und im Stroh landete. Sie rappelte sich aber schnell auf und rannte gegen die Zellentür, die vor ihrer Nase zugeknallt wurde. Der Kerkermeister schlug nach ihrem Knie und sie sackte stöhnend zu Boden. Bereth erblickte ihr schmerzverzerrtes Gesicht. Sie konnte einem leidtun. Sie war nicht älter als Bereth und wirkte so zerbrechlich. Trotzdem gab sie das Gefühl von sich, mehr erlebt zu haben als das Mischblut. Ihre Augen fielen auf ihn und als sie bemerkte, wie er sie angaffte, fing sie an breit zu lächeln. Es war ein zuckersüßes Lächeln, als wollte sie ihn umgarnen. Noch nie hatte ein Mädchen Bereth mit einem solchen Ausdruck angesehen. Abscheu war sonst alles, was er bekam. Sogleich erfüllte ihn ein anderes Gefühl als Mitleid und er blickte beschämt von ihr weg.
»Wo hast du sie versteckt, Dieb?«, fragte der Hauptmann seine Gefangene, dem das Lächeln auch nicht entgangen war.
Ihr Gesicht verhärtete sich gleich wieder und sie spuckte gegen den Mann. Doch am Boden liegend traf sie ihn kaum an der Hose. Sofort versuchte der Kerkermeister sie zu schlagen. Aber sie wich hastig von den Gitterstäben zurück, um nicht getroffen zu werden.
»Hör mir zu. Ich will hier raus!«, schrie Bereth, auch um die Aufmerksamkeit der Männer von dem Mädchen zu lenken.
»Ich werde dir Manieren vor Hauptman Garrison bei bringen!«, entgegnete der Kerkermeister und Bereth, der nicht auf den kleinen Mann geachtet hatte, wurde an der Hand getroffen. Sofort wich er mit Schmerzen zurück, um weiteren Hieben mit der Keule zu entgehen.
»Ist schon gut. Ich kümmere mich um ihn«, scheuchte Garrison den kleinen Mann von Bereths Zelle weg.
»Ich habe nichts getan!«
»Es ist ein Verbrechen, den Zoll von Südtor umgehen zu wollen und du wurdest leider dabei erwischt.«
»Ich wollte nicht … ich wusste nicht. Ich bin doch nur von der Ballarspitze runter und wollte keine Tore umgehen!«
»Bewusst oder unbewusst. Ein Verbrechen bleibt ein Verbrechen und kann nicht unbestraft bleiben.«
»Ich besitze Geld. Ich kann den Zoll bezahlen«, sagte Bereth hoffnungsvoll.
»Dazu gibt es noch eine satte Busse.«
»Kein Problem. Ich habe genug Geld.«
»Selbstverständlich«, entgegnete der Hauptmann beiläufig. Sein Interesse für Bereth schien wieder verflogen zu sein und er blickte zu der jungen Frau, die wieder ihr Lächeln aufgesetzt hatte, dass dem Mischblut galt. Auch ihm war dieses Lächeln nicht entgangen, das ihn sichtlich irritierte.
»Normalerweise würden wir ein Auge zudrücken und dich mit der Busse laufen lassen«, erklärte der Truppenführer, weil sein Vorgesetzter abgelenkt war. »Aber in diesem Fall geht dies leider nicht so leicht. Du warst wohl einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort.«
»Das werden wir noch sehen, ob es sich wirklich um einen unglücklichen Zufall handelt«, erklärte Garrison und blickte tief in die blutroten Augen des Mischbluts. »Kennst du dieses Mädchen.«
Bereth blickte automatisch zu ihr rüber. Sie lächelte noch immer und er antwortete zögerlich: »Ich habe sie noch nie zuvor gesehen.«
»Ach, wirklich?«, antwortete Garrison, der das Zögern sogleich anders deutete. »Du warst also auf der Ballarspitze. Ein tollkühnes Unterfangen. Warst du ganz alleine Unterwegs.«
Wieder zögerte er. Bereth wollte dem Kerl nichts von Baren und Lerim erzählen und schon gar nichts von den Vorfällen auf dem Gebirge.
»Ja, ich bin alleine unterwegs und ich kann auch gut auf mich selber aufpassen.«
»Das bezweifle ich nicht. Aber was genau hast du auf dem Berg gemacht?«
Wieder zögerte Bereth. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
»Woher bist du gekommen?«
»Mengan!«, antwortete er rasch, da endlich eine Frage gekommen war, die er ohne Bedenken beantworten konnte.
»Mengan? Höchst interessant. Du willst mir also weiß machen, dass du von Mengan aus über die Ballarspitze ins Heldenstal gereist bist und dabei unbewusst den Zoll von Südtor umgangen bist?«, Garrison lachte und der Kerkermeister gackerte mit. Dieser suchte immer wieder eine Möglichkeit, Bereth eins mit seiner Keule zu verpassen.
»Ich gebe zu, dass ich auf der Durchreise bin. Aber ich komme von einem abgelegenen Bergdorf. Ich habe keine Ahnung von diesen ganzen Orten Heldenstal und Südtor!«
»Das soll ich dir glauben?«
»Hast du eine bessere Erklärung?«
»Die habe ich. Du steckst mit ihr unter einer Decke«, Garrison zeigte auf die junge Frau, die nicht mehr lächelte und unbeteiligt wirkte.
»Ich habe doch gesagt ich kenn sie nicht!«, schrie Bereth und sprang zu den Gitterstäben sofort erwische ihn ein weiterer Keulenhieb. »Verfluchter kleiner Mistkerl, warte nur bis ich hier rauskomme!«
»Das kann noch eine Weile dauern«, entgegnete Garrison. »Zumindest bis diese Sache geklärt ist.«
»Was wird uns den Vorgeworfen?«, fragte die Gefangene.
»Sei still, Diebin«, zischte der Kerkermeister.
»Für dich ist es zu spät, die Unschuldige zu spielen. Wir haben dich auf frischer Tat gefasst.«
»Wenn ihr sie auf frischer Tat gefasst habt, warum beschuldigt ihr den auch mich?«, fragte Bereth den Hauptmann.
»Weil noch einige Rätsel um diesen Diebstahl stehen und du passt einfach zu gut hinein. Gestern Abend ist es ihr gelungen in ein eigentlich gut bewachtes Herrenhaus einzudringen. Dieses gehört dem Zollmeister von Südtor. Er ist ein reicher Mann und ein bekannter Sammler seltener Gegenstände. Seine neuste Anschaffung war eine handgroße, blaue Marmorfigur. Sehr wertvoll und ihr ist es gelungen, mit ihr zu entkommen. Als ich und meine Männer sie heute Morgen stellen konnten, war sie jedoch bereits nicht mehr im Besitz der Figur.«
»Und wo passe ich da rein?«, fragte Bereth genervt.
»Das Herrenhaus liegt etwas abseits von Südtor, auf einem Hügel, nahe dem Hang, der auf die Ballarspitze führt und nur wenige Schritte vom Wald entfernt, wo man dich gefunden hat. Sie hat dir die Figur gegeben nicht? Und du hast sie irgendwo im Wald versteckt.«
»Es ist wohl alles vorbei«, seufzte die Gefangene theatralisch. »Unser ganzer Plan wurde von diesem Genie eines Mannes aufgedeckt. Sag ihnen einfach, wo die Figur versteckt ist.«
»Wie bitte! Ich habe nichts mit diesem Diebstahl zu tun?«, entgegnete Bereth sogleich. Der Hauptmann achtete gar nicht auf ihn und ging zu ihrer Zelle.
»Es scheint dein Freund möchte dich im Stich lassen. Ich ahnte gleich, dass einer Frau es niemals gelungen wäre, alleine in das Herrenhaus einzubrechen. Besonders da du anscheinend magische Kräfte besitzt, die dir doch nur ein magisches Geschöpf beibringen konnte, so einer wie der da«, er zeigte auf das Mischblut.
»Ich bin kein … ich habe ihr gar nichts beigebracht!«
»So ist es. Ich bin nur ein hilfloses Mädchen, zu nichts alleine fähig«, sie streckte ihm die gefesselten Arme hin. »Befreit mich von diesen Fesseln und ich verrate euch, wo die Figur versteckt ist.«
Garrison zögerte nur einen kurzen Moment, dann hatte er sein Messer gezückt und schnitt die Fesseln durch. Die junge Frau rieb sich die Arme. Die raue Schnurr hatte Zeichen in ihrer Haut hinterlassen.
»Nun rede!«
»Ihr kennt die große Eiche, die auf dem kleinen Hügel neben dem Herrenhaus wächst?«, Garrison nickte. »Dort ist sie vergraben.«
»Natürlich, das ist genial. Ihr habt sie direkt unter unserer Nase versteckt, um sie später holen zu können. Leider wurdet ihr beide erwischt, nicht?«
»So ist es. Wir hätten uns nicht mit den Gardisten von Südtor anlegen sollen«, seufzte sie besiegt.
Der Hauptmann schickte die anderen Männer aus dem Kerker und ging dann hinter her.
»Was ist mit meiner Begnadigung?«, schrie sie ihm nach.
»Sobald wir die Figur zurückhaben.«
»Und was ist mit mir?«, entgegnete Bereth verzweifelt.
»Mit dir? Auf dich wartet nur der Galgen.«
Er konnte kaum glauben, was er hören musste. Der Galgen? Er hatte doch gar nichts getan. Was war hier gerade geschehen. Hatten die wirklich ihre Lügengeschichte geglaubt? Er blickte sie wütend an. Nun fühlte er kein Mitgefühl mehr für sie und sie lächelte ihn schon wieder an. Er konnte seinen bösen Blick kaum halten.
»Warum hast du das getan?«
»Was?«
»Du hast mich absichtlich so angelächelt, damit der Kerl denkt, wir gehören zusammen.«
»Etwas mehr Selbstvertrauen, vielleicht habe ich dich wegen etwas ganz anderem angelächelt«, sie zwinkerte ihm zu.
»Lass die Scherze. Wegen dir werde ich noch gehängt!«
»Nein, wirst du nicht. Ich werde dich hier schon herausholen. Hilfloses Mädchen? Ich werde es diesem Kerl schon zeigen. Wenn der merkt, dass ich sie nur für eine Zeit habe loswerden wollen, sind wir hier bereits raus.«
Sie nahm ihre beiden Haarnadeln und ließ ihre langen Haare über ihre Schultern fallen. Dann machte sie sich mit ihrem Diebeswerkzeug an das Schloss ihrer Zelle. Es dauerte eine Weile, während Bereth nur dämlich zu sah und nicht verstand, was die Frau versuchte. Dann klickte das Schloss und die Gittertüre sprang auf und sie trat aus der Zelle. Sie lächelte Bereth an und verbeugte sich, als suchte sie Applaus für ihre Vorführung. Anstatt jedoch das Gleiche mit seiner Zelle zu machen, schlich sie auf ihren sanften Sohlen zur Kerkertür und machte sich an deren Schloss.
»Und was ist mit mir?«, sagte er entrüstet. Sie wies ihn jedoch nur auf, still zu sein.
Auch dieses Schloss mochte ihr nicht lange stand halten und langsam zog sie die Türe einen Spalt weit auf, um zu erspähen, was sich dahinter befand. Dann türmte sie sich vor der Türe auf und trat so hart dagegen, wie sie konnte. Der Türflügel schleuderte auf und ein Mann, der von ihr getroffen wurde, schrie dahinter auf. Schnell sprang die Diebin durch die Türe, packte den Verletzten und nach einem kurzen Handgerangel stürzte der Soldat die Treppe hinunter und blieb bewusstlos am unteren Ende liegen. Sie sprang geschickt die Stufen runter und gab ihm noch einen Tritt in die Seiten.
»Ich war ihm noch etwas schuldig«, erklärte sie Bereth und zeigte auf seinen verbundene Hand und ihre Kopfverletzung. Dann fing sie an den Mann nach den Schlüsseln zu durchsuchen, wurde aber anscheinend nicht fündig. In diesem Moment tauchte oberhalb der Treppe der Kerkermeister auf.
»Was schreit ihr hier herum? Warum ist die Türe offen?«
Er erblickte die Diebin und versuchte hastig seine Keule zu ziehen. Doch sie war um einiges schneller und war bereits die Stufen wieder hochgelangt, als der Kleine gerade die Keule aus dem Gürtel gezogen hatte. Sie packte die Waffe und riss sie aus den Händen. Sie schlug ihm einmal hart auf den rechten Arm und der Kerkermeister versuchte sich Schutz suchend von ihr abzuwenden. Doch sie packte ihn von hinten und fing an ihn mit der Keule zu würgen. Die Gegenwehr war erbärmlich und der kleine Mann fing an blau anzulaufen.
»Wo sind die Schlüssel?«, fragte sie ihn und er griff sofort in seine Tasche und ließ den Schlüsselbund auf den Boden fallen. Sie löste den Würgegriff und schlug ihm mit der Keule auf den Kopf. Der Kerkermeister sackte benebelt zu Boden. Sie hob rasch den Schlüsselbund auf und schloss Bereths Zelle auf.
»Ich dachte schon, du würdest mich hier zurücklassen.«
»He, wir sind doch jetzt Komplizen. Das würde ich niemals tun.«
»Das war beeindruckend. Du bist alles andere als hilflos.«
»Ich weiß«, sagte sie selbstsicher. »Aber noch sind wir nicht raus. Für Lobpreisungen haben wir noch später Zeit.«
Der Kerkermeister stöhnte auf und kam langsam wieder auf die Beine. Bereth bat um die Keule und sie gab sie ihm.
»Ich habe auch noch eine Rechnung offen.«
Der Kerkermeister verschränkte seine Arme über den Kopf.
»Ihr werdet doch keinen hilflosen Mann schlagen, oder?«
»Ich nicht nein.«
Bereth packte ihn und bat die Diebin die hintere Zelle aufzuschließen, wo der Verrückte gefangen war. Der Mann dachte gar nicht ans fliehen und verkroch sich wieder in die hinterste Ecke seiner Zelle. Bereth warf ihm die Keule entgegen und schloss den Kerkermeister mit diesem ein.
»Ihr beide könnt ein wenig miteinander spielen«, sagte er und der geschundene Gefangene packte tatsächlich die Keule und ging auf seinen Schänder los. Währenddessen hatte die Diebin die Truhe aufgeschlossen und ihren Waffengurt angelegt. Bereth holte seinen Rucksack hervor. Aber das Schwert war wie erwartet nicht zu finden. Der Truppenführer musste es noch haben. Er entnahm dem bewusstlosen Soldaten sein Schwert und die Scheide und steckte es an seinen Waffengurt. Es war nur ein geringer Pfand gegen die Klinge von Baren, aber besser als unbewaffnet zu sein. Die Diebin hatte recht, sie waren noch nicht in Sicherheit, vielleicht mussten sie sich den Weg freikämpfen.
Die Kerkertür führte geradewegs in ein Wachhaus, mit Quartieren für den Kerkermeister und die Wachen. Bereth war bereits am Abend aufgefallen, dass es nur spärlich bewacht wurde. Anscheinend wurden alle nötigen Kräfte für die Suche nach dem Diebesgut gebraucht. Aber ganz alleine waren sie nicht. Es hatte einen kleinen Gemeinschaftsraum mit Stühlen und einem Tisch. Sie schlichen sich durch die Wachhütte und sahen durch eine offenstehende Türe in den Gemeinschaftsraum, wo fünf Soldaten drin waren. Sie bemerkten die beiden Ausbrecher nicht, da sie darauf fixiert waren, was ihr Truppenführer ihnen zeigte. Er konnte den Mann erkennen, ohne sein Gesicht sehen zu müssen, weil er seinen Männern eine schimmernde Waffe vorzeigte, Barens Schwert. Bereth wollte sein Schwert ziehen und hineinstürmen, aber die Diebin hielt ihn auf.
»Was machst du da? Bist du verrückt geworden?«
»Das ist mein Schwert und ich werde es mir wiederholen.«, antwortete er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Wir müssen nur aus dieser Tür raus und wir sind frei. Aber wenn du es unbedingt zurückhaben willst, dann bist du auf dich alleine gestellt. Ich hoffe, du kannst so viele Soldaten alleine überwältigen.«
Nach einem langen Zögern folgte er der Diebin in die Freiheit und die Stadt Südtor. Der Kerker lag etwas abseits der Hauptstraße, halb in eine mächtige Felswand eingebettet. Was gut so war, denn es wäre bestimmt auffällig gewesen, wenn sie irgendjemand einfach aus der Eingangstüre hätte hinausmarschieren sehen. Die Diebin führte ihn zielstrebig durch die schmalen Gassen zu der Straße und Bereth blickte sich staunend um. Es bietet sich einen neuen Anblick für ihn. Die Stadt war nicht ganz so lebendig wie Mengan, wo sich die Bewohner zu tausenden auf den Straßen trafen, aber ausgestorben war Südtor auch nicht gerade. Die Hauptstraße war eine reine Einkaufsallee. Überall hatten fahrende Händler Stände aufgebaut oder versuchten direkt von ihren Karren aus Waren an die Leute zu verkaufen. Mindestens jedes zweite Gebäude war ein Gasthaus oder Warengeschäft. Es fanden sich Menschen aus der ganzen Welt auf dieser einzelnen Straße. Jedoch nur Menschen, nicht wie in Mengan, musste Bereth feststellen. Er stach unter der Menge hervor. Lange konnte er nicht in dieser Stadt bleiben.
Sein Blick wanderte schließlich nach Süden und sein Staunen begann von Neuem, da er dieses gewaltige Bauwerk in der Nacht nicht hatte erkennen können. Zwischen zwei mächtigen Felswänden, welche die Stadt einschmälten, lag die höchste Mauer, welche Bereth jemals gesehen hatte. Sie musste dreißig bis vierzig Meter hoch sein und der einzige Weg hindurch war ein mächtiges Tor in der Mitte der Mauer.
»Du hast die Wahrheit gesagt, nicht?«, brachte die Diebin ihn zurück auf die Straße. »Du hast keine Ahnung von diesem Ort, nicht? Du warst noch nie hier?«
»Nein. Ich komme wirklich von einem abgelegenen Bergdorf.«
»Diese Stadt wurde von den Westlichen Menschenreichen in Anspruch genommen, was ein Witz ist, da die noch weit entfernt liegen. Aber das solltest du wissen. Ich denke du bist dorthin unterwegs.«
»Weiß nicht … keine Ahnung.«
»Ja, wie auch immer. Die Westlichen Reiche nutzen die Mauer und das Tor, um Reisende zu besteuern. Sie verdienen mächtig viel Geld hier, weil es der einzige sichere Weg von Süden in die Westlichen Reiche ist.«
»Was ist mit der Menganstraße?«, fragte Bereth, glücklich nicht ganz unwissend zu sein.
»Die Straße ist gut, bis sie im Westen auf die Berge führt. Von dort aus wird es gefährlich. Die Straße ist kaum mehr als ein schmaler Pfad. Kein Handelskarren gelangt über einen solchen Pass. Aber ich finde das Heldenstal gehört niemandem, ganz besonders nicht den Westlichen Reichen, wenn dann schon eher den Leuten von Juon.«
»Juon?«
»Eine Hafenstadt weit im Norden des Heldenstal. Ich komme mehr oder weniger von dort.«
»Mehr oder weniger?«
»Egal, genug geredet. Ich muss weiter und du solltest auch nicht zu lange hier bleiben«, sie verabschiedete sich knapp und wollte dann Richtung Mauer davongehen.
»Warte, bitte. Du musst mir helfen. Ich kenne mich hier nicht aus.«
»Tut mir leid. Ich habe noch Dinge zu erledigen. Du bist auf dich alleine gestellt.«
»Sage mir zumindest, wo die nächste Stadt liegt.«
»Ich nehme an, du willst nicht nach Süden und an der Mauer vorbei oder? Weil Mengan wäre wohl das nächstliegende.«
»Von dort komme ich.«
»Hätte ich dir auch nicht angeraten. Ist vielleicht nicht der geeignete Zeitpunkt für einen Verbrecher, das Tor zu durchschreiten. Im Norden erwartet dich hauptsächlich die Wildnis. Du musst nach Westen über die Berge, um auf weitere Siedlungen zu treffen oder nach Osten nach Larsenor.«
»Was ist mit Juon. Kannst du mich nicht dorthin führen?«
»Ganz langsam. Wir hatten im Kerker eine gewisse Zweckgemeinschaft, aber nichts weiter. Ich bin kein Reiseführer. Wie gesagt, habe andere Dinge zu erledigen und wenn wir lange hier stehen bleiben, dann werden uns die Soldaten noch finden.«
Sie lief die Straße entlang nach Süden und Bereth, der nichts Besseres zu tun wusste, lief ihr wie ein streunender Hund nach.
»Das darf nicht wahr sein?«, fluchte sie. »Folgst du mir?«
»Ich kenne sonst niemand.«
»Na gut. Ich werde dir zeigen, wohin du gehen musst. Folge mir, aber versuche etwas unauffälliger zu sein, wenn du schon dabei bist«, sie blickte ihn in seine dämonischen Augen. »Ach vergiss es. Versuch nicht mehr Aufmerksamkeit zu erregen, als du sonst schon tust.«
»Warum gehen wir eigentlich nach Süden«, fragte Bereth nach einigen Schritten. »Hast du nicht gesagt, es wäre zu gefährlich, durch das Tor zu gehen?«
»Wir gehen auch nicht zum Tor. Ich muss die Figur holen gehen, die ich versteckt habe.«
»Hast du nicht etwas von einer Eiche erzählt?«
»Denkst du wirklich, ich habe diesen Idioten gesagt, wo ich sie wirklich versteckt habe, bevor sie mich fassen konnten?«
»Du wurdest in einen Kerker gesperrt und dachtest immer noch an dein Diebesgut?«, fragte Bereth verwirrt. Er hatte in der Zelle nur daran gedacht, wie er wieder rauskam.
»War nicht mein erster Ausbruch«, murrte die Diebin.
Das Tor war nun gut ersichtlich am Ende der Straßen zu sehen. Soldaten bewachten es zu Dutzenden und hielten jeden an, der hindurch marschieren wollte. Auf der anderen Seite der Mauer erkannte Bereth weitere Häuser, vor allem Gaststätten. Doch die Diebin führte ihn von der Hauptstraße weg und sie zwängten sich durch eine enge Gasse, bis sie an einen Flusslauf kamen, welcher mitten durch die Stadt führte. In der Mauer hatte es einen Kanal für den Wasserstrom, der mit Gitterstäben versperrt war, so dass niemand daran denken konnte, durch den Fluss zu schwimmen um dem Zoll entgehen zu können. Selbst Wachen waren dort aufgestellt, damit sich niemand ungesehen an den Gitterstäben vertat. Man machte wirklich alles, damit jegliche andere Wege an der Mauer vorbeizukommen, abgesperrt waren.
Die Diebin lief jedoch am schmalen Ufer entlang wieder ein Stück zurück nach Norden. Bereth blickte in die Strömung und den feuchten Untergrund. Er wollte nicht hineinfallen und lief ihr sorgsam nach. Sie hielt schließlich unter einer Steinbrücke an, die in einem Bogen über den Fluss führte. Bereth musste sie an der einen Hand halten, damit sie sich mit ihrem schlanken Körper um den Pfeiler hängen konnte, ohne dass sie in den Fluss fiel. Er fragte sich, wie sie es geschafft hatte, dieses Versteck gestern Nacht ohne seine Hilfe zu erreichen. Aber dies blieb wohl ihr Geheimnis.
»Ich hab‘s«, stöhnte sie, immer noch halb über den Fluss hangelnd und Bereth zog sie kräftig zurück und brachte sie sicher auf das Trockene. Sie hielt ein Stoffbündel in ihrer Hand und darunter zwinkerte etwas Blaues hervor. Bereth gelang es kaum einen Blick darauf zu werfen, da hatte sie den Stoff bereits neu um den Gegenstand gewickelt und ihn in ihrer schmalen Tasche am Gurt verstaut.
»Siehst du, war dir sogar eine Hilfe«, sagte Bereth stolz.
»Ja, und ich zeige dir den Weg aus dieser Stadt. Aber dann trennen sich unsere Wege wieder. Das ist besser für uns beide.«
»Ich bin übrigens Bereth.«
»Interessiert mich wenig. Wie gesagt, unsere Wege trennen sich bald wieder.«
»Und wie soll ich dich bis dahin nennen? Diebin?«
»Da sind sie!«
Bervor sie darauf antworten konnten, standen plötzlich zwei Soldaten auf der Brücke, welche die beiden entdeckt hatten. Sie dachten nicht lange nach und rannten von der Brücke weg zurück zur Gasse. Das Gute an schweren Rüstungen war, dass die Männer nicht einfach von der Brücke zu ihnen runterspringen konnten und einen anderen Weg suchen mussten. Die Diebin rannte voraus mit ihren flinken Beinen und Bereth schlidderte eher hinterher. Der feuchte Untergrund machte ihm zu schaffen. Aber er dachte gar nicht mehr daran, dass er in den Fluss fallen könnte. Er besaß größere Probleme. Als sie die Gasse erreichten, hielt die Diebin abrupt an, so dass Bereth fast in sie hineingerannt wäre. Vor ihnen stand der Truppenführer, der Bereth gefangen genommen hatte und versperrte den mannsbreiten Weg.
»Lass mich dies erledigen«, erklärte Bereth und zog die geborgene Stahlklinge.
»Ich hoffe, du kannst damit umgehen«, sagte sie nur, schien aber bereits nach einem anderen Ausweg zu suchen.
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich so früh diese Waffe austesten kann«, grinste der Truppenführer und zog Barens schimmernde Klinge.
»Du willst mich mit meiner eigenen Waffe zurück in den Kerker bugsieren?«
»Der Kerker ist zu gut für euch. Ihr werdet hier sterben.«
Die Hauswände boten den beiden wenig Spielraum für ihre Angriffe und so prallten die Klingen beim ersten Angriff aufeinander. Bereth wich hastig zurück, fast überwältigt von dem wuchtigen Hieb des Gegners verursacht durch die bessere Waffe. Doch ließ er sich nicht einschüchtern und stach nach seinem Gegner. Dieser sah den Angriff kommen und lenkte die Stahlklinge mit seiner eigenen Waffe zur Seite, so dass sie gegen die Hauswand prallte. Doch genau diese verzögerte den Konterhieb des Truppenführers und Bereth wehrte den Schlag mit seiner Waffe ab. Der Soldat setzte gleich nach, schlug erneut zu und noch einmal, bis die Stahlklinge nachgab und von Barens Schwert entzweit wurde. Bereth wich zurück, entgeistert auf seine zerstörte Waffe blickend, die keine Spitze mehr trug und die Klinge war noch kürzer als bei einem Messer.
»Diese Waffe ist viel besser, als ich erwartet hätte«, lachte der Truppenführer triumphieren und preschte so schnell nach vorne, dass das Mischblut den Angriff nicht hatte kommen sehen. Der Hieb war auf seinen Brustkorp gezielt. Aber selbst Barens Klinge konnte Bereths Brustpanzer nicht durchbrechen und prallte daran ab. Der Truppenführer zeigte seine Überraschung nur kurz und hob sein Schwert zu einem Angriff auf Bereths ungeschützten Kopf. In diesem Moment sauste am Ohr des Mischbluts etwas vorbei und ein schmales Wurfmesser blieb im Arm des Soldaten stecken, genau dort wo dessen Rüstung am Schwächsten war. Bereth wartete keine Sekunde und schlug den Rest seiner Waffe wie eine Axt in den Hals seines Gegners. Mächtig viel Blut spritze aus der Wunde des Mannes, der noch mehr Blut ausspuckte und schwache Beine bekam. Er fiel auf seine Knie, versuchte mit einer Hand den Stahl aus seinem Körper zu holen und mit der anderen und Barens Schwert das Mischblut auf Distanz zu halten. Doch der Riss ihm die Waffe einfach aus der Hand und der Truppenführe fiel nun gänzlich auf den Boden seine letzten Atemstöße aushauchend.
Zuerst hatte Bereth nur Augen für seine Waffe. Dann blickte er jedoch danksuchend zu der Diebin, welche das rettende Messer geworfen hatte. Als er jedoch ihre Augen erblickte, die voller Gier auf Barens schimmernde Klinge fixiert waren, vergaß er ihre Unterstützung im Kampf schnell wieder. Sie war eine Diebin und wurde von derart kostbaren Dingen regelrecht angezogen. Misstrauisch versorgte er die Waffe in seiner Scheide und es war, als hätte sich ein Bann von der jungen Frau gelöst, die sogleich auf andere Gedanken kam.
»Schnell weg hier, bevor die anderen kommen!«
Sie entnahm dem Toten ihr Wurfmesser und rannte voraus auf die Hauptstraße, wo ihnen die Soldaten aus dem Norden entgegen kamen. Sie schrien so laut, dass die Garden am Tor ebenfalls auf den Tumult aufmerksam wurden und Soldaten von Süden aus auf sie losschickten. Die beiden wurden eingekesselt.
»Schnelle hier entlang!«, sagte die Diebin und zeigte auf eine der vielen Gassen. Bereth dachte nicht lange nach und rannte ihr hinterher.
Kaum waren sie in eine neue Gasse eingebogen, tauchten hinter ihnen Soldaten auf, die sich nun ebenfalls in den Straßen verteilten. Die Diebin führte sie zielstrebig durch die engen Wege, kannte sich aber anscheinend doch nicht ganz so gut in dieser Stadt aus wie ihre Verfolger. In jede neue Gasse, die sie einbogen, warteten bereits Soldaten am anderen Ende und versperrten ihnen den Weg. Sie kehrten jedes Mal hastig um und suchten sich einen anderen Weg, der jedoch sogleich wieder von den Wachen abgeriegelt wurde und so kamen sie ungewollt in eine Sackgasse und bald darauf wurde jeglicher Fluchtweg von einem Soldaten bewacht, die den Kreis um sie nun enger zogen. Bereth zog Barens Klinge.
»Der einzige Ausweg ist der Kampf. Gib mir erneut Rückendeckung und vielleicht kommen wir hier lebend heraus.«
Doch die Diebin antworte ihm nicht und als er zu ihr rüberblickte, stand sie auf einmal nicht mehr neben ihm. Auch die Soldaten wirkten deutlich verdutzt.
»Sie stand doch gerade noch da?«, sagte einer, der die Welt nicht mehr verstand.
»Magie! Sie muss eine Hexe sein!«, antworte einer, der glaubte zu wissen, was hier vor sich ging. »Die Wachen, welche sie gestern gefasst haben, hatten von ähnlichem gesprochen«
Bereth war sprachlos und wusste nicht, was sagen. Jetzt stand er alleine vor diesen schwerbewaffneten Soldaten. Die Diebin war ihm Erdboden versunken, so schien es. Doch das Mischblut lag falsch, denn auf einmal tauchte sie auf einem der nebenstehenden Häuserdächer auf und winkte ihm mit ihrem Lächeln zu.
»Auf Wiedersehen, Bereth, Unglücksrabe. Hier trennen sich unsere Wege!«
»Warte …«, doch da war sie bereits wieder verschwunden.
Auch die Soldaten hatten ihren kurzen Auftritt verblüfft mit verfolgt. Doch da auch sie nicht einfach so auf die Häuserdächer fliegen konnten. Richteten sie sich nun zu Bereth mit gezogenen Waffen.
»Schnappt ihn, aber lebend. Er weiß, wo die Hexe mit dem Diebesgut hinwill.«
»Ich kenne sie nicht und ich habe verdammt noch mal nichts gestohlen.«
Doch die Soldaten würden nicht auf ihn hören. Das wusste er und er blickte um sich. Er konnte nicht sagen, wie viele von ihnen ihn umkreisten. Aus jeder Gasse schienen sie zu kommen und versuchten ihn zu umschwärmen. Die vordersten trugen schwere Speere, die auf das Mischblut gerichtet waren und die Reichweite seines Schwertes übertrafen. Als Bereth für einen Moment sich auf die Männer zu seiner Linken konzentriert hatte, war einer der Soldaten zu seiner Rechten hervorgepirscht und rammte ihm nun den Speer mit voller Kraft in die Seite. Die Waffe prallte an seinem Brustpanzer ab, ohne einen Kratzer zu verursachen und durch den mächtigen Hieb, zerbrach der hölzerne Schaft des Speers. Bereth setzte sofort zum Gegenschlag aus auf den Soldaten der verdutzt seine zerstörte Waffe begutachtete. Das Mischblut zielte beabsichtigt auf den Brustpanzer seines Gegners, in der Erwartung, dass auch dieser dem Hieb standhielt und er ihn nicht töten würde. Doch Barens Klinge zischte durch den gehärteten Stahl, als wäre es nur Wolle und hinterließ eine tiefe Kerbe in der Brust des Soldaten, der blutüberströmt und schreien zu Boden ging.
Während die anderen Soldaten einen Schritt zurückwichen, um wieder aus der Reichweite des Schwertes zu gelangen, erkannte Bereth, wie zwei der Männer zu seiner Rechten, sich entfernten. Er ahnte, dass diese nicht die Flucht ergreifen wollten, sondern wohl viel eher nach Verstärkung rufen würde. Aber sie hinterließen dabei eine Schwachstelle in ihrer Barrikade und Bereth wollte nicht hier stehen bleiben, bis noch mehr Soldaten kamen.
»Du kannst nicht gewinnen«, erklärte einer der Männer in der zweiten Reihe mit einem Schwert in der Hand. »Du wirst dich für deine Taten verantworten müssen oder hier sterben.«
Als Antwort schlug Bereth mit einer schnellen Bewegung seiner Klinge einen Speer entzwei. Der unbewaffnete Mann wich hastig hinter seine Kameraden zurück und zog zögerlich sein Schwert. Sofort gab der Soldat das Zeichen zum Angriff und kurz darauf rasten drei Speerspitzen aus unterschiedlichen Richtungen auf ihn zu. Eine konnte er mit seinem Schwert abwehren, vor der Zweiten rettete ihn erneut sein Brustpanzer und die dritte Spitze traf ihn an der Wade und riss nicht nur seine Hosen auf, sondern auch seine Haut. Bereth wich nur kurz wegen dem Schmerz vor den Soldaten zurück und richtete sich sogleich wieder vor ihnen auf.
»Ich habe nichts getan, ihr dreckigen Hunde!«, brüllte er wie ein Tier und voller Zorn. Keine Spur von Verzweiflung war mehr in seiner Stimme zuhören, wie es noch zuvor der Fall gewesen war und seine dämonischen Augen funkelten blutrot. Bereth wurde von einem gewaltigen Zorn übermannt, der seine Sinne vernebelte. Der Schmerz im Bein verging sogleich und er spürte, wie die Männer sich von seiner Gestalt ängstigten, wie sie weiter von ihm zurückwichen. Doch dies steigerte seinen Blutdurst nur noch mehr und seinen Hunger nach Vergeltung.
Blitzschnell sprang Bereth über den von ihm getöteten Soldaten und auf die Männer dahinter zu. Ein weiterer Speer zerschellte an seiner Rüstung. Er bemerkte es kaum und rammte dem Mann, der nicht mehr flüchten konnte. Sein Schwert in die Kehle. Einige der Soldaten wichen vor ihm zurück stürzten in ihre Kameraden dahinter und verhinderten, deren vortreten. Währenddessen zischten Bereths Krallen über das Gesicht des Soldaten, der vorher noch die Befehle erteilt hatte und sein Schwert durchstieß die Brust eines anderen nur Sekundenbruchteile später und auf einmal, stand die Gasse vor ihm offen. Er dachte nicht lange nach, konnte in diesem Zustand auch nicht mehr denken und rannte einfach los. Die Soldaten folgten ihm nur sehr zögerlich.
Bereth gelangte schnell wieder auf die Hauptstraße. Doch dort erwarteten ihn nur mehr Gegner. Die Bewohner waren in ihre Häuser zurückgekehrt oder bestaunten aus sicherer Entfernung das Schauspiel, welches ihnen geboten wurde. Der Hauptmann Garrison war anscheinend zurückgekehrt und dies mit einem guten Dutzend weiteren Männer. Sie versperrten ihm den Weg nach Norden aus dieser verfluchten Stadt heraus, während aus den Gassen, die Vorhut nachrückte. Bereth war noch immer im Kampfrausch und griff an, ohne weiter nachzudenken. Zwei Soldaten mit Schwertern kamen ihm entgegen. Doch Bereth war schneller als der erste, der blutüberströmt auf den Pflaster stürzte und wich mühelos dem Schwerthieb des zweiten aus, bevor er diesem seine Klinge durch den Magen rammte. Die Schutzbekleidung nutzte nichts im Angesichts Bereth Kraft und Barens Schwert.
Kaum hatte er die Klinge aus dem Körper des Toten gezogen, musste er dem nächsten Angriff ausweichen. Ein Schwert zischte nur haarscharf an seinem ungeschützten Kopf vorbei und der zweite Angriff folgte. Bereth konnte diesen gerade noch mit seiner eigenen Waffen abblocken. Aber er musste zurückweichen, bevor er sich zu dem Angreifer wenden konnte. Es handelte sich um den Hauptmann persönlich, der ein Lächeln aufgelegt hatte, als hätte er endlich jemanden gefunden, den es wert war, zu töten.
»Na endlich zeigst du dein wahres Gesicht. Leichkrieger? Dass ich nicht lache. Du trägst dämonisches Blut in dir. Schade benötigen wir dich lebendig.«
Bereth attackierte ihn, ohne die Worte, die dieser erzählte, wirklich verstehen zu können. Sein Schwert schlug mehrmals auf den Hauptmann ein, dieser parierte die Angriffe jedoch fast mühelos, ohne selbst einen Gegenangriff auszuführen.
»Ich werde dir zeigen, dass mehr nötig ist, um einen Kampf zu gewinnen als nur eine gute Ausrüstung.«
Garrison ließ Bereth kommen und wich dessen Hieb aus. Er schlug absichtlich mit seinem Breitschwert auf Bereths Brustpanzer. Die Klinge trat, wie erwartet, nicht hindurch. Trotzdem war es wie ein Hieb in den Bauch der schmerzte. Aber das Mischblut attackierte weiter, als wäre nichts geschehen. Der Hauptmann wich weiter den unbeholfen wirkenden Angriffen seines Gegners aus. Schlug immer wieder auf dessen Brustpanzer, als wollte er ein wildes Tier mit Bestrafungen und Schmerzen zähmen. Doch Bereth ließ sich nicht zähmen und griff weiter an, bis Garrison das Spiel leid wurde.
»Weißt du, vor einigen Jahren da war ich genau so grün wie du und wie die meisten dieser Soldaten. Hier kann man einfach Geld verdienen, wenn man sich der Garde anschließt und dafür muss man nicht einmal viel können. Aber dann tauchen Leute wie du auf und auf einmal muss man um sein Leben kämpfen. Ich hatte diese Erfahrung vor einigen Jahren selbst gemacht. Seither trainiere ich mich selbst jeden Tag in der Kunst des Schwertkampfes. Du kannst mich nicht besiegen, Dämonenblut.«
Dieses Mal griff der Hauptmann an. Bereth parierte den Schlag einhändig mit seinem Schwert und seine Krallen zischten auf das Gesicht von Garrison zu. Doch Bereth sah den zweiten schnellen Schwerthieb nicht kommen, der ihn quer über die Stirn erwischte. Er fiel rücklings auf den Boden. Sein dämonisches Blut hatte aufgehört zu brodeln und auf einmal spürte er den ganzen Schmerz seiner Prellungen und der Schnittwunde an der Stirn. Er fasste sich an die Verletzung und starrte auf das Blut in seiner Hand und dann zu Garrison, der ebenfalls eine Kerbe davon getragen hatte. An seiner Wange zeigte sich ein tiefer Schnitt, verursacht durch Bereths Krallen. Doch nicht lange kümmerte er sich, um seine Wunde und thronte vor dem gestürzten Bereth und richtete sein Schwert gegen ihn.
»Ihr beiden widerlichen Dieben. Ihr hattet von Anfang keine Möglichkeit davonzuommen. Wir wussten, dass ihr kommt. Wir haben einen anonymen Tipp bekommen. Da staunst du, was? Irgendjemand will euch aus dem Weg haben. Gibst du nun auf?«
»Ich habe dir bereits gesagt, ich habe nichts mit dem Diebstahl zu tun!«, schrie Bereth und schlug mit Barrens Klinge gegen die Waffe des Hauptmanns und spaltete diese. Garrison wich sofort vor Bereth zurück, der schnell wieder auf die Beine kam und befahl seinen Soldaten, diesen zu fassen, während er sich ein neues Schwert bei einem seiner Männer holte. Doch die Soldaten fürchteten Bereth und versuchten ihn nur zögerlich zu umzingeln. Das Mischblut fackelte nicht lange und rannte auf einen der Soldaten zu, der erschrocken versuchte seinen Speer einzusetzen. Doch in der Hast Bereth verfehlte. Dieser rammte den Mann mit der Schulter, um ihn aus dem Weg zu bugsieren. Sofort kam ihm ein Schwertkämpfer in die Quere. Bereth schlug ihm mit einem Hieb den Waffenarm ab, ließ den Verletzten liegen und rannte los. Er wollte nur noch fliehen.
Während Bereth hörte, wie der Hauptmann fluchte und er bei einem kurzen Blick zurück, herausfand, dass er die Soldaten in ihren schweren Rüstungen bereits ein gutes Stück hinter sich gelassen hatte, übermannte ihn ein neues Gefühl. Dieses Mal hatte es nichts mit seinem dämonischen Blut zu tun. Es passierte etwas mit ihm, vordem keine seiner Abstammungen ihn bewahren konnte. Ein Schwächeanfall. Bereth hatte seit mehr als einem Tag nichts gegessen, kaum geschlafen und vor allem auch nichts getrunken. Die anstrengenden Kämpfe und das Rennen zeigten nun ihre Wirkung. Bereth stolperte, schürfte sich das Knie auf, kam aber schnell wieder auf die Beine. Doch wurde es ihm schwindlig und seine Sicht war nur noch verschwommen. Er sah, wie einige Passanten aus seinem Weg gingen und wie in Trance sprang er weiter. Er versuchte noch einmal all seine Kräfte zu sammeln, als er mit seiner geschwächten Sicht erkannte, dass die Häuserreihen zu seiner Seiten verschwanden und vor ihm grün und braun wartete. Er rannte in den Wald, in der Hoffnung dort etwas Ruhe zu finden. Doch die Soldaten hatten zu ihm aufschließen können und versuchten ihn noch einmal im Wald zu stellen. Bereth achtete kaum auf sie, versuchte nur noch zu fliehen. Wenn immer in seine verschwommene Sicht etwas Purpurnes kam, dann schlug er so lange darauf ein, bis es sich rot verfärbte und rannte einfach weiter. Nicht wenige Male musste sein Brustpanzer tödliche Hiebe abblocken und ab und zu zischte ein Pfeil an seinem Kopf vorbei, der am nächsten Baum zitternd stecken blieb oder an einem Felsen zerschlug.
Immer noch wirkte für ihn alles wie in einem Traum, weil all die bekannten Formen dieser Welt zu verzerrten Farbkleckser verschwammen. So begriff er selbst kaum, warum er auf einmal anhielt und sich gegen seine Verfolger drehte, während er seltsamerweise seine Klinge zurück in die Scheide legte. Die Soldaten hielten an, überrascht von der Wende der Geschehnisse und wagten es kaum dem Mischblut, der eindeutig irgendetwas vorhatte, zu nahe zu kommen. Die Arme nach vorne streckend, aus Gründen, die er nicht begreifen konnte, bildete er folgende Worte, ohne ihre Bedeutung zu kennen, ohne zu wissen, warum er sie sprach oder woher er sie kannte und ohne sich jemals wieder an sie zu erinnern oder an die Folge, welche seine Worte hervor beschworen:
Seine Hände fingen an grünlich zu leuchten, als wären sie von einer Staubschicht umschlungen, welche sich nun von seiner schwarzen Haut absonderte, wie vom Wind getragen, zu den Soldaten flog und dort im Boden versickerte. Für einen Moment geschah rein gar nichts und die Männer, die das Phänomen bestaunt hatten, wollten Bereth wieder attackieren, als der Boden unter ihren Füßen zu beben begann; genug stark, dass sie kaum mehr auf den Beinen stehen konnten und Speere oder Kamerad als Stütze benötigten. Der Untergrund wölbte sich, wie ein Stück Pergament, welches von beiden Seiten zusammengedrückt wurde, dann brach der Boden auf. Ein gewaltiger Spalt bildete sich, welcher die Soldaten und die umliegenden Bäume wie ein monströses Tier in seinen hungrigen Schlund verschlang, sie zermalmte und in der Erde vergrub, als der Spalt sich einfach wieder schloss und die qualvollen Schreie, der vom Boden verschluckten Männer verstummen ließ.
Die Szenerie kaum wahrgenommen und bereits wieder vergessen, torkelte Bereth weiter, tiefer in den Wald hinein. Es war ihm egal in welche Richtung er ging und er bemerkte auch nicht, dass dieses Schauspiel eine weitere Person verfolgt hatte. Sie hatte den ganzen Kampf gesehen, wenn auch aus weiter Ferne und nun folgte sie dem Mischblut in den Wald.
1. Kapitel: Ein diebisches Lächeln für blauen Marmor
Sie hatten Bereth in eine nahe Stadt gebracht und dort in den Kerker geworfen. Die Soldaten hatten ihm keine weiteren Informationen gegeben und nur gesagt, dass der Hauptmann sich um ihn kümmern würde. Aber die ganze Nacht war niemand mehr zu ihm gekommen. In seiner Zelle hatte es nur nassen Stroh, welches wohl sein Bett darstellen sollte und einen stinkenden Topf für seine Geschäfte. Bereth hatte jedoch die ganze Nacht nicht geschlafen. Er war nur in seiner Zelle gesessen und hatte über die Ereignisse nachgedacht. Er wusste nicht, ob dieser ruhige Moment ein Segen oder Fluch war, da er Zeit hatte das erlebte zu verarbeiten. Manchmal kam ihm noch alles wie ein Traum vor, der Kampf mit dem Drachen, Baren und Lerim, die dabei ihr Leben hatten geben müssen. Er wünschte sich, alles wäre nur ein Traum gewesen. Aber er wusste, dass es real gewesen war. Außerdem hatte er langsam genug von Träumen.
Ein kleines schmales Fenster, welches für fünf düstere Zellen in diesem Kerker zuständig war, zeigte ihm an, dass es morgen wurde. Er war nicht alleine hier. Ein abgemagerter Tagedieb hatte man ebenfalls in eine Zelle gesperrt und man ließ ihn anscheinend einfach hier verrotten. Der Kerl plapperte wirren Zeugs zu sich selbst und achtete nicht darauf, wenn Bereth ihn etwas fragen wollte. Das Mischblut fragte sich, ob sie ihn hier ebenfalls gefangen halten würden, bis er verrückt wurde. Er fand sich bereits in solch kurzer Zeit in Gefangenschaft, wie er gedanklich bereits resignierte, dass alles keinen Sinn hatte, er eh schon verrückt sein musste und es keine Zukunft für ihn gab, ob er frei war oder in dieser Zelle verrottete. Die Energie und den Mut, welche ihm die seltsamen Lichter im Drachennest verliehen hatten, waren vergangen und erneute Zweifel an seinem seltsamen Abenteuer plagten ihn. Wasserschrein? Woher sollte er wissen, wo dieser sich befand? Wenn er überhaupt nach ihm suchen würde, falls man ihn aus dieser Zelle herausließ. Das waren viele Wenn und Aber. Eins wusste er jedoch mit Sicherheit. Er würde die Prüfungen alleine in Angriff nehmen müssen. Nie mehr wollte er das Drama mit Baren und Lerim widerholen lassen. Er hatte seine Lektion gelernt. Aber mit Einsamkeit kante er sich gut aus, das war kein Problem mehr für ihn.
Die Soldaten hatten ihm alles abgenommen, nicht nur Barens Schwert sondern auch sein Rucksack mit seinem spärlichen Hab und Gut drin. Nun fast alles hatten sie ihm genommen. Seinen neuen Brustpanzer hatten sie ihm nicht abnehmen können, der war wie an Bereth angeschmolzen, und der Geldbeutel, den er von seinem Vater erhalten hatte, war seit seiner Flucht aus Mengan dort in seiner Hose versteckt, wo ihn nur wenige suchen würden und auch die Soldaten hatten ihn nicht so gründlich nach anderen Waffen und Dingen abgetastet. Er fragte sich, ob er sich wohl frei kaufen könnte? Aber wenn er den Soldaten von seinem Geld erzählte, würden sie es ihm einfach abnehmen und ihn wirklich hier verrotten lassen, damit er niemandem von dieser Ungerechtigkeit erzählen konnte. Es musste einen anderen Weg aus der Zelle geben. Der Hauptmann würde sicher verstehen. Bereth hatte nichts Falsches getan und bald stand er wieder auf freiem Fuß, mit all seinen Sachen und Barens Schwert. Dann würde er sich wohl als erstes etwas zu essen kaufen. Er hatte seit gestern Abend nichts gegessen und jetzt hätte er eine Herde Kühe essen können. Er bereute es, gestern Nacht in dem Wald nicht auf die Jagd gegangen zu sein. Eigentlich bereute er es überhaupt diesen Wald betreten zu haben. Deshalb war er erst in dieser Lage. Seit wann war es verboten Wälder zu betreten?
Der Ausgang aus dem Kerker führte über eine Treppe zu einem verstärkten Tor, das ebenfalls verschlossen war durch den Kerkermeister. Neben dem Kerkermeister, ein kleiner, giftiger Kerl, der gerne andere Leute herumschubste, befanden sich noch andere Wachen hinter dem Tor, die einen Ausbruch verhindern sollten. Aber Bereth konnte nicht einmal an den Gitterstäben vorbei und er blickte sehnsüchtig zu der Türe und hoffte, dass bald jemand kam, der Hauptmann, der ihn hier endlich herausholen würde. In diesem Moment erklang ein riesiger Tumult hinter der Türe. Eine Frau kreischte und dann schrie ein Mann: »Sie hat mich gebissen. Diese Hure hat mich in meine Hand gebissen!«
Danach erklang ein dumpfer Schlag und die Frauenstimme verstummte und eine dominante Stimme antwortete strickt: »Lass das gefälligst. Wir brauchen sie bei Bewusstsein!«
»Tut mir leid, Hauptmann. Ich habe die Kontrolle über mich verloren.«
Hauptmann? Na endlich, dachte sich Bereth. Jetzt würde er bald hier aus dem Kerker weg sein.
»Du bleibst hier und lässt deine Hand verbinden. Wir können den Rest alleine erledigen«, befahl der Hauptmann und Bereth hörte wie sich jemand an dem Schloss des Tores zu schaffen machte. Sofort sprang er hoch an die Gitterstäbe, um besser sehen zu können, wer genau den Kerker betrat. Selbst der Verrückte war verstummt, hatte sich aber ganz an das Ende seiner Zelle verkrochen. Er wollte wohl nichts von allem wissen.
»Und du, Mädchen, benimmst dich gefälligst oder ich übergebe dich meinen Männern, anstelle dir einen fairen Prozess zu geben«, erklärte der Hauptmann als die Türe zum Kerker aufschoss.
»Fair? Für euch hinterhältige Halunken ist doch jeder schuldig«, fluchte sie, aber ihre Gegenwehr schien verebbt zu sein.
Mit festen Schritten lief ein stämmiger Mann die Stufen runter. Er trug eine schwere Rüstung und purpurne Unterkleider wie die Soldaten, die Bereth gefangen genommen hatten. Es war ein Man im mittleren Alter, der kurze, braune Haare und einen gepflegten Vollbart trug. Ein selbstgefälliges Lächeln und weiße Zähne blitzten hinter den Haaren hervor. Der Mann schien mit sich zufrieden zu sein. Im Schlepptau hatte er eine junge, zierliche Frau. Sie hatte lange schwarzes Haar, die sie mit einfachen Nadeln hochgesteckt hatte. Sie trug ein rotes Hemd und darüber eine lederne Weste. Außerdem hatte sie Hosen an und schwere Stiefel, die sonst nur Männer trugen. Auf ihrer Stirn hatte sich eine blutige Wunde gebildet, wahrscheinlich von einem schweren Schlag. Unter dem Blut lugten tiefgründige und kämpferische braune Augen hervor. Ihre Hände waren gefesselt und der Hauptmann zog sie barsch hinter sich her, so dass sie fast von den Stufen stürzte. Doch ihre Beine waren geschickt und verhinderten schlimmeres. Dahinter traten noch zwei Männer ein, die Bereth in dieser Nacht hatte besser kennen gelernt, als er sich gewünscht hätte. Der kleine, gekrümmte mit den zerzausten Haaren und den Straßenkleider war der Kerkermeister, der andere war der Truppenführer, der Bereth gefangen genommen hatte. Er hielt einen Waffengurt in der Hand, an welchem ein kurzer Säbel und ein Dolch befestigt waren, sowie eine schmale Ledertasche. Er legte den Waffengurt in eine Truhe am Ende des Kerkers und verschloss diese mit einem einfachen Eisenschloss. Bereth schaute genau hin, denn dort lagen auch seine Sachen drin. Nur Barens Schwert nicht. Dies hatte der Soldat an sich genommen. Aber er schien es im Moment nicht bei sich zu tragen.
Als der Hauptmann an seiner Zelle vorbeiging, versuchte Bereth auf sich aufmerksam zu machen. Da kam der Kerkermeister zuvor und schlug mit einer kleinen Keule nach dem Mischblut. Sie war nicht länger als einen Unterarm und nur wenig dicker als ein Besenstiel, aber sie tat trotzdem unglaublich weh, wenn man getroffen wurde. Bereth hatte schon gestern Bekanntschaft mit der Waffe gemacht und sah den Angriff kommen und wich von den Gitterstäben zurück. Die Keule traf das Gitter und ein dumpfer Klang donnerte durch den Kerker. Der Verrückte winselte und schien sogar zu weinen. Niemand schenkte ihm Beachtung.
»Ich komme gleich zu dir, Junge«, erklärte der Hauptmann und drückte seine Gefangene gegen die Stangen der Zelle gegenüber von Bereth. Es schien ihm zu gefallen, dass sie trotz Gegenwehr seiner Kraft nicht gewachsen war. Sonst achtete er gar nicht auf Bereth und befahl dem Kerkermeister, die leere Zelle zu öffnen. Dieser wich nur ungern zurück, ohne das Mischblut mindestens einmal geschlagen zu haben, aber machte schließlich, was ihm befohlen wurde.
»Aber ich bin unschuldig!«, sagte Bereth energisch.
»Das sagen alle Verbrecher die man fasst.«
»Aber ich wusste nicht, dass es verboten ist, durch den Wald zu wandern.«
Der Hauptmann blickte nun das erste Mal zu ihm rüber und wirkte überrascht bei dem Anblick.
»Was habt ihr denn da gefangen?«, fragte der Hauptmann überrascht den Truppenführer, der zu ihnen aufgeschlossen hatte.
»Weiß nicht genau. Die Männer dachten es sei ein Leichkrieger, weil er vom Berg gekommen war.«
»Ich bin kein Leichkrieger.«
»Nein, definitiv nicht. Sie lassen sich nicht gefangen nehmen. Sie sterben lieber. Du bist zu zahm, um eine solche Kreatur zu sein. Aber wie gesagt, zu dir komme ich noch. «
Der Kerkermeister hatte die Zelle geöffnet und die Gefangene wurde stark hineingeschubst, so dass sie stürzte und im Stroh landete. Sie rappelte sich aber schnell auf und rannte gegen die Zellentür, die vor ihrer Nase zugeknallt wurde. Der Kerkermeister schlug nach ihrem Knie und sie sackte stöhnend zu Boden. Bereth erblickte ihr schmerzverzerrtes Gesicht. Sie konnte einem leidtun. Sie war nicht älter als Bereth und wirkte so zerbrechlich. Trotzdem gab sie das Gefühl von sich, mehr erlebt zu haben als das Mischblut. Ihre Augen fielen auf ihn und als sie bemerkte, wie er sie angaffte, fing sie an breit zu lächeln. Es war ein zuckersüßes Lächeln, als wollte sie ihn umgarnen. Noch nie hatte ein Mädchen Bereth mit einem solchen Ausdruck angesehen. Abscheu war sonst alles, was er bekam. Sogleich erfüllte ihn ein anderes Gefühl als Mitleid und er blickte beschämt von ihr weg.
»Wo hast du sie versteckt, Dieb?«, fragte der Hauptmann seine Gefangene, dem das Lächeln auch nicht entgangen war.
Ihr Gesicht verhärtete sich gleich wieder und sie spuckte gegen den Mann. Doch am Boden liegend traf sie ihn kaum an der Hose. Sofort versuchte der Kerkermeister sie zu schlagen. Aber sie wich hastig von den Gitterstäben zurück, um nicht getroffen zu werden.
»Hör mir zu. Ich will hier raus!«, schrie Bereth, auch um die Aufmerksamkeit der Männer von dem Mädchen zu lenken.
»Ich werde dir Manieren vor Hauptman Garrison bei bringen!«, entgegnete der Kerkermeister und Bereth, der nicht auf den kleinen Mann geachtet hatte, wurde an der Hand getroffen. Sofort wich er mit Schmerzen zurück, um weiteren Hieben mit der Keule zu entgehen.
»Ist schon gut. Ich kümmere mich um ihn«, scheuchte Garrison den kleinen Mann von Bereths Zelle weg.
»Ich habe nichts getan!«
»Es ist ein Verbrechen, den Zoll von Südtor umgehen zu wollen und du wurdest leider dabei erwischt.«
»Ich wollte nicht … ich wusste nicht. Ich bin doch nur von der Ballarspitze runter und wollte keine Tore umgehen!«
»Bewusst oder unbewusst. Ein Verbrechen bleibt ein Verbrechen und kann nicht unbestraft bleiben.«
»Ich besitze Geld. Ich kann den Zoll bezahlen«, sagte Bereth hoffnungsvoll.
»Dazu gibt es noch eine satte Busse.«
»Kein Problem. Ich habe genug Geld.«
»Selbstverständlich«, entgegnete der Hauptmann beiläufig. Sein Interesse für Bereth schien wieder verflogen zu sein und er blickte zu der jungen Frau, die wieder ihr Lächeln aufgesetzt hatte, dass dem Mischblut galt. Auch ihm war dieses Lächeln nicht entgangen, das ihn sichtlich irritierte.
»Normalerweise würden wir ein Auge zudrücken und dich mit der Busse laufen lassen«, erklärte der Truppenführer, weil sein Vorgesetzter abgelenkt war. »Aber in diesem Fall geht dies leider nicht so leicht. Du warst wohl einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort.«
»Das werden wir noch sehen, ob es sich wirklich um einen unglücklichen Zufall handelt«, erklärte Garrison und blickte tief in die blutroten Augen des Mischbluts. »Kennst du dieses Mädchen.«
Bereth blickte automatisch zu ihr rüber. Sie lächelte noch immer und er antwortete zögerlich: »Ich habe sie noch nie zuvor gesehen.«
»Ach, wirklich?«, antwortete Garrison, der das Zögern sogleich anders deutete. »Du warst also auf der Ballarspitze. Ein tollkühnes Unterfangen. Warst du ganz alleine Unterwegs.«
Wieder zögerte er. Bereth wollte dem Kerl nichts von Baren und Lerim erzählen und schon gar nichts von den Vorfällen auf dem Gebirge.
»Ja, ich bin alleine unterwegs und ich kann auch gut auf mich selber aufpassen.«
»Das bezweifle ich nicht. Aber was genau hast du auf dem Berg gemacht?«
Wieder zögerte Bereth. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
»Woher bist du gekommen?«
»Mengan!«, antwortete er rasch, da endlich eine Frage gekommen war, die er ohne Bedenken beantworten konnte.
»Mengan? Höchst interessant. Du willst mir also weiß machen, dass du von Mengan aus über die Ballarspitze ins Heldenstal gereist bist und dabei unbewusst den Zoll von Südtor umgangen bist?«, Garrison lachte und der Kerkermeister gackerte mit. Dieser suchte immer wieder eine Möglichkeit, Bereth eins mit seiner Keule zu verpassen.
»Ich gebe zu, dass ich auf der Durchreise bin. Aber ich komme von einem abgelegenen Bergdorf. Ich habe keine Ahnung von diesen ganzen Orten Heldenstal und Südtor!«
»Das soll ich dir glauben?«
»Hast du eine bessere Erklärung?«
»Die habe ich. Du steckst mit ihr unter einer Decke«, Garrison zeigte auf die junge Frau, die nicht mehr lächelte und unbeteiligt wirkte.
»Ich habe doch gesagt ich kenn sie nicht!«, schrie Bereth und sprang zu den Gitterstäben sofort erwische ihn ein weiterer Keulenhieb. »Verfluchter kleiner Mistkerl, warte nur bis ich hier rauskomme!«
»Das kann noch eine Weile dauern«, entgegnete Garrison. »Zumindest bis diese Sache geklärt ist.«
»Was wird uns den Vorgeworfen?«, fragte die Gefangene.
»Sei still, Diebin«, zischte der Kerkermeister.
»Für dich ist es zu spät, die Unschuldige zu spielen. Wir haben dich auf frischer Tat gefasst.«
»Wenn ihr sie auf frischer Tat gefasst habt, warum beschuldigt ihr den auch mich?«, fragte Bereth den Hauptmann.
»Weil noch einige Rätsel um diesen Diebstahl stehen und du passt einfach zu gut hinein. Gestern Abend ist es ihr gelungen in ein eigentlich gut bewachtes Herrenhaus einzudringen. Dieses gehört dem Zollmeister von Südtor. Er ist ein reicher Mann und ein bekannter Sammler seltener Gegenstände. Seine neuste Anschaffung war eine handgroße, blaue Marmorfigur. Sehr wertvoll und ihr ist es gelungen, mit ihr zu entkommen. Als ich und meine Männer sie heute Morgen stellen konnten, war sie jedoch bereits nicht mehr im Besitz der Figur.«
»Und wo passe ich da rein?«, fragte Bereth genervt.
»Das Herrenhaus liegt etwas abseits von Südtor, auf einem Hügel, nahe dem Hang, der auf die Ballarspitze führt und nur wenige Schritte vom Wald entfernt, wo man dich gefunden hat. Sie hat dir die Figur gegeben nicht? Und du hast sie irgendwo im Wald versteckt.«
»Es ist wohl alles vorbei«, seufzte die Gefangene theatralisch. »Unser ganzer Plan wurde von diesem Genie eines Mannes aufgedeckt. Sag ihnen einfach, wo die Figur versteckt ist.«
»Wie bitte! Ich habe nichts mit diesem Diebstahl zu tun?«, entgegnete Bereth sogleich. Der Hauptmann achtete gar nicht auf ihn und ging zu ihrer Zelle.
»Es scheint dein Freund möchte dich im Stich lassen. Ich ahnte gleich, dass einer Frau es niemals gelungen wäre, alleine in das Herrenhaus einzubrechen. Besonders da du anscheinend magische Kräfte besitzt, die dir doch nur ein magisches Geschöpf beibringen konnte, so einer wie der da«, er zeigte auf das Mischblut.
»Ich bin kein … ich habe ihr gar nichts beigebracht!«
»So ist es. Ich bin nur ein hilfloses Mädchen, zu nichts alleine fähig«, sie streckte ihm die gefesselten Arme hin. »Befreit mich von diesen Fesseln und ich verrate euch, wo die Figur versteckt ist.«
Garrison zögerte nur einen kurzen Moment, dann hatte er sein Messer gezückt und schnitt die Fesseln durch. Die junge Frau rieb sich die Arme. Die raue Schnurr hatte Zeichen in ihrer Haut hinterlassen.
»Nun rede!«
»Ihr kennt die große Eiche, die auf dem kleinen Hügel neben dem Herrenhaus wächst?«, Garrison nickte. »Dort ist sie vergraben.«
»Natürlich, das ist genial. Ihr habt sie direkt unter unserer Nase versteckt, um sie später holen zu können. Leider wurdet ihr beide erwischt, nicht?«
»So ist es. Wir hätten uns nicht mit den Gardisten von Südtor anlegen sollen«, seufzte sie besiegt.
Der Hauptmann schickte die anderen Männer aus dem Kerker und ging dann hinter her.
»Was ist mit meiner Begnadigung?«, schrie sie ihm nach.
»Sobald wir die Figur zurückhaben.«
»Und was ist mit mir?«, entgegnete Bereth verzweifelt.
»Mit dir? Auf dich wartet nur der Galgen.«
Er konnte kaum glauben, was er hören musste. Der Galgen? Er hatte doch gar nichts getan. Was war hier gerade geschehen. Hatten die wirklich ihre Lügengeschichte geglaubt? Er blickte sie wütend an. Nun fühlte er kein Mitgefühl mehr für sie und sie lächelte ihn schon wieder an. Er konnte seinen bösen Blick kaum halten.
»Warum hast du das getan?«
»Was?«
»Du hast mich absichtlich so angelächelt, damit der Kerl denkt, wir gehören zusammen.«
»Etwas mehr Selbstvertrauen, vielleicht habe ich dich wegen etwas ganz anderem angelächelt«, sie zwinkerte ihm zu.
»Lass die Scherze. Wegen dir werde ich noch gehängt!«
»Nein, wirst du nicht. Ich werde dich hier schon herausholen. Hilfloses Mädchen? Ich werde es diesem Kerl schon zeigen. Wenn der merkt, dass ich sie nur für eine Zeit habe loswerden wollen, sind wir hier bereits raus.«
Sie nahm ihre beiden Haarnadeln und ließ ihre langen Haare über ihre Schultern fallen. Dann machte sie sich mit ihrem Diebeswerkzeug an das Schloss ihrer Zelle. Es dauerte eine Weile, während Bereth nur dämlich zu sah und nicht verstand, was die Frau versuchte. Dann klickte das Schloss und die Gittertüre sprang auf und sie trat aus der Zelle. Sie lächelte Bereth an und verbeugte sich, als suchte sie Applaus für ihre Vorführung. Anstatt jedoch das Gleiche mit seiner Zelle zu machen, schlich sie auf ihren sanften Sohlen zur Kerkertür und machte sich an deren Schloss.
»Und was ist mit mir?«, sagte er entrüstet. Sie wies ihn jedoch nur auf, still zu sein.
Auch dieses Schloss mochte ihr nicht lange stand halten und langsam zog sie die Türe einen Spalt weit auf, um zu erspähen, was sich dahinter befand. Dann türmte sie sich vor der Türe auf und trat so hart dagegen, wie sie konnte. Der Türflügel schleuderte auf und ein Mann, der von ihr getroffen wurde, schrie dahinter auf. Schnell sprang die Diebin durch die Türe, packte den Verletzten und nach einem kurzen Handgerangel stürzte der Soldat die Treppe hinunter und blieb bewusstlos am unteren Ende liegen. Sie sprang geschickt die Stufen runter und gab ihm noch einen Tritt in die Seiten.
»Ich war ihm noch etwas schuldig«, erklärte sie Bereth und zeigte auf seinen verbundene Hand und ihre Kopfverletzung. Dann fing sie an den Mann nach den Schlüsseln zu durchsuchen, wurde aber anscheinend nicht fündig. In diesem Moment tauchte oberhalb der Treppe der Kerkermeister auf.
»Was schreit ihr hier herum? Warum ist die Türe offen?«
Er erblickte die Diebin und versuchte hastig seine Keule zu ziehen. Doch sie war um einiges schneller und war bereits die Stufen wieder hochgelangt, als der Kleine gerade die Keule aus dem Gürtel gezogen hatte. Sie packte die Waffe und riss sie aus den Händen. Sie schlug ihm einmal hart auf den rechten Arm und der Kerkermeister versuchte sich Schutz suchend von ihr abzuwenden. Doch sie packte ihn von hinten und fing an ihn mit der Keule zu würgen. Die Gegenwehr war erbärmlich und der kleine Mann fing an blau anzulaufen.
»Wo sind die Schlüssel?«, fragte sie ihn und er griff sofort in seine Tasche und ließ den Schlüsselbund auf den Boden fallen. Sie löste den Würgegriff und schlug ihm mit der Keule auf den Kopf. Der Kerkermeister sackte benebelt zu Boden. Sie hob rasch den Schlüsselbund auf und schloss Bereths Zelle auf.
»Ich dachte schon, du würdest mich hier zurücklassen.«
»He, wir sind doch jetzt Komplizen. Das würde ich niemals tun.«
»Das war beeindruckend. Du bist alles andere als hilflos.«
»Ich weiß«, sagte sie selbstsicher. »Aber noch sind wir nicht raus. Für Lobpreisungen haben wir noch später Zeit.«
Der Kerkermeister stöhnte auf und kam langsam wieder auf die Beine. Bereth bat um die Keule und sie gab sie ihm.
»Ich habe auch noch eine Rechnung offen.«
Der Kerkermeister verschränkte seine Arme über den Kopf.
»Ihr werdet doch keinen hilflosen Mann schlagen, oder?«
»Ich nicht nein.«
Bereth packte ihn und bat die Diebin die hintere Zelle aufzuschließen, wo der Verrückte gefangen war. Der Mann dachte gar nicht ans fliehen und verkroch sich wieder in die hinterste Ecke seiner Zelle. Bereth warf ihm die Keule entgegen und schloss den Kerkermeister mit diesem ein.
»Ihr beide könnt ein wenig miteinander spielen«, sagte er und der geschundene Gefangene packte tatsächlich die Keule und ging auf seinen Schänder los. Währenddessen hatte die Diebin die Truhe aufgeschlossen und ihren Waffengurt angelegt. Bereth holte seinen Rucksack hervor. Aber das Schwert war wie erwartet nicht zu finden. Der Truppenführer musste es noch haben. Er entnahm dem bewusstlosen Soldaten sein Schwert und die Scheide und steckte es an seinen Waffengurt. Es war nur ein geringer Pfand gegen die Klinge von Baren, aber besser als unbewaffnet zu sein. Die Diebin hatte recht, sie waren noch nicht in Sicherheit, vielleicht mussten sie sich den Weg freikämpfen.
Die Kerkertür führte geradewegs in ein Wachhaus, mit Quartieren für den Kerkermeister und die Wachen. Bereth war bereits am Abend aufgefallen, dass es nur spärlich bewacht wurde. Anscheinend wurden alle nötigen Kräfte für die Suche nach dem Diebesgut gebraucht. Aber ganz alleine waren sie nicht. Es hatte einen kleinen Gemeinschaftsraum mit Stühlen und einem Tisch. Sie schlichen sich durch die Wachhütte und sahen durch eine offenstehende Türe in den Gemeinschaftsraum, wo fünf Soldaten drin waren. Sie bemerkten die beiden Ausbrecher nicht, da sie darauf fixiert waren, was ihr Truppenführer ihnen zeigte. Er konnte den Mann erkennen, ohne sein Gesicht sehen zu müssen, weil er seinen Männern eine schimmernde Waffe vorzeigte, Barens Schwert. Bereth wollte sein Schwert ziehen und hineinstürmen, aber die Diebin hielt ihn auf.
»Was machst du da? Bist du verrückt geworden?«
»Das ist mein Schwert und ich werde es mir wiederholen.«, antwortete er mit zusammengebissenen Zähnen.
»Wir müssen nur aus dieser Tür raus und wir sind frei. Aber wenn du es unbedingt zurückhaben willst, dann bist du auf dich alleine gestellt. Ich hoffe, du kannst so viele Soldaten alleine überwältigen.«
Nach einem langen Zögern folgte er der Diebin in die Freiheit und die Stadt Südtor. Der Kerker lag etwas abseits der Hauptstraße, halb in eine mächtige Felswand eingebettet. Was gut so war, denn es wäre bestimmt auffällig gewesen, wenn sie irgendjemand einfach aus der Eingangstüre hätte hinausmarschieren sehen. Die Diebin führte ihn zielstrebig durch die schmalen Gassen zu der Straße und Bereth blickte sich staunend um. Es bietet sich einen neuen Anblick für ihn. Die Stadt war nicht ganz so lebendig wie Mengan, wo sich die Bewohner zu tausenden auf den Straßen trafen, aber ausgestorben war Südtor auch nicht gerade. Die Hauptstraße war eine reine Einkaufsallee. Überall hatten fahrende Händler Stände aufgebaut oder versuchten direkt von ihren Karren aus Waren an die Leute zu verkaufen. Mindestens jedes zweite Gebäude war ein Gasthaus oder Warengeschäft. Es fanden sich Menschen aus der ganzen Welt auf dieser einzelnen Straße. Jedoch nur Menschen, nicht wie in Mengan, musste Bereth feststellen. Er stach unter der Menge hervor. Lange konnte er nicht in dieser Stadt bleiben.
Sein Blick wanderte schließlich nach Süden und sein Staunen begann von Neuem, da er dieses gewaltige Bauwerk in der Nacht nicht hatte erkennen können. Zwischen zwei mächtigen Felswänden, welche die Stadt einschmälten, lag die höchste Mauer, welche Bereth jemals gesehen hatte. Sie musste dreißig bis vierzig Meter hoch sein und der einzige Weg hindurch war ein mächtiges Tor in der Mitte der Mauer.
»Du hast die Wahrheit gesagt, nicht?«, brachte die Diebin ihn zurück auf die Straße. »Du hast keine Ahnung von diesem Ort, nicht? Du warst noch nie hier?«
»Nein. Ich komme wirklich von einem abgelegenen Bergdorf.«
»Diese Stadt wurde von den Westlichen Menschenreichen in Anspruch genommen, was ein Witz ist, da die noch weit entfernt liegen. Aber das solltest du wissen. Ich denke du bist dorthin unterwegs.«
»Weiß nicht … keine Ahnung.«
»Ja, wie auch immer. Die Westlichen Reiche nutzen die Mauer und das Tor, um Reisende zu besteuern. Sie verdienen mächtig viel Geld hier, weil es der einzige sichere Weg von Süden in die Westlichen Reiche ist.«
»Was ist mit der Menganstraße?«, fragte Bereth, glücklich nicht ganz unwissend zu sein.
»Die Straße ist gut, bis sie im Westen auf die Berge führt. Von dort aus wird es gefährlich. Die Straße ist kaum mehr als ein schmaler Pfad. Kein Handelskarren gelangt über einen solchen Pass. Aber ich finde das Heldenstal gehört niemandem, ganz besonders nicht den Westlichen Reichen, wenn dann schon eher den Leuten von Juon.«
»Juon?«
»Eine Hafenstadt weit im Norden des Heldenstal. Ich komme mehr oder weniger von dort.«
»Mehr oder weniger?«
»Egal, genug geredet. Ich muss weiter und du solltest auch nicht zu lange hier bleiben«, sie verabschiedete sich knapp und wollte dann Richtung Mauer davongehen.
»Warte, bitte. Du musst mir helfen. Ich kenne mich hier nicht aus.«
»Tut mir leid. Ich habe noch Dinge zu erledigen. Du bist auf dich alleine gestellt.«
»Sage mir zumindest, wo die nächste Stadt liegt.«
»Ich nehme an, du willst nicht nach Süden und an der Mauer vorbei oder? Weil Mengan wäre wohl das nächstliegende.«
»Von dort komme ich.«
»Hätte ich dir auch nicht angeraten. Ist vielleicht nicht der geeignete Zeitpunkt für einen Verbrecher, das Tor zu durchschreiten. Im Norden erwartet dich hauptsächlich die Wildnis. Du musst nach Westen über die Berge, um auf weitere Siedlungen zu treffen oder nach Osten nach Larsenor.«
»Was ist mit Juon. Kannst du mich nicht dorthin führen?«
»Ganz langsam. Wir hatten im Kerker eine gewisse Zweckgemeinschaft, aber nichts weiter. Ich bin kein Reiseführer. Wie gesagt, habe andere Dinge zu erledigen und wenn wir lange hier stehen bleiben, dann werden uns die Soldaten noch finden.«
Sie lief die Straße entlang nach Süden und Bereth, der nichts Besseres zu tun wusste, lief ihr wie ein streunender Hund nach.
»Das darf nicht wahr sein?«, fluchte sie. »Folgst du mir?«
»Ich kenne sonst niemand.«
»Na gut. Ich werde dir zeigen, wohin du gehen musst. Folge mir, aber versuche etwas unauffälliger zu sein, wenn du schon dabei bist«, sie blickte ihn in seine dämonischen Augen. »Ach vergiss es. Versuch nicht mehr Aufmerksamkeit zu erregen, als du sonst schon tust.«
»Warum gehen wir eigentlich nach Süden«, fragte Bereth nach einigen Schritten. »Hast du nicht gesagt, es wäre zu gefährlich, durch das Tor zu gehen?«
»Wir gehen auch nicht zum Tor. Ich muss die Figur holen gehen, die ich versteckt habe.«
»Hast du nicht etwas von einer Eiche erzählt?«
»Denkst du wirklich, ich habe diesen Idioten gesagt, wo ich sie wirklich versteckt habe, bevor sie mich fassen konnten?«
»Du wurdest in einen Kerker gesperrt und dachtest immer noch an dein Diebesgut?«, fragte Bereth verwirrt. Er hatte in der Zelle nur daran gedacht, wie er wieder rauskam.
»War nicht mein erster Ausbruch«, murrte die Diebin.
Das Tor war nun gut ersichtlich am Ende der Straßen zu sehen. Soldaten bewachten es zu Dutzenden und hielten jeden an, der hindurch marschieren wollte. Auf der anderen Seite der Mauer erkannte Bereth weitere Häuser, vor allem Gaststätten. Doch die Diebin führte ihn von der Hauptstraße weg und sie zwängten sich durch eine enge Gasse, bis sie an einen Flusslauf kamen, welcher mitten durch die Stadt führte. In der Mauer hatte es einen Kanal für den Wasserstrom, der mit Gitterstäben versperrt war, so dass niemand daran denken konnte, durch den Fluss zu schwimmen um dem Zoll entgehen zu können. Selbst Wachen waren dort aufgestellt, damit sich niemand ungesehen an den Gitterstäben vertat. Man machte wirklich alles, damit jegliche andere Wege an der Mauer vorbeizukommen, abgesperrt waren.
Die Diebin lief jedoch am schmalen Ufer entlang wieder ein Stück zurück nach Norden. Bereth blickte in die Strömung und den feuchten Untergrund. Er wollte nicht hineinfallen und lief ihr sorgsam nach. Sie hielt schließlich unter einer Steinbrücke an, die in einem Bogen über den Fluss führte. Bereth musste sie an der einen Hand halten, damit sie sich mit ihrem schlanken Körper um den Pfeiler hängen konnte, ohne dass sie in den Fluss fiel. Er fragte sich, wie sie es geschafft hatte, dieses Versteck gestern Nacht ohne seine Hilfe zu erreichen. Aber dies blieb wohl ihr Geheimnis.
»Ich hab‘s«, stöhnte sie, immer noch halb über den Fluss hangelnd und Bereth zog sie kräftig zurück und brachte sie sicher auf das Trockene. Sie hielt ein Stoffbündel in ihrer Hand und darunter zwinkerte etwas Blaues hervor. Bereth gelang es kaum einen Blick darauf zu werfen, da hatte sie den Stoff bereits neu um den Gegenstand gewickelt und ihn in ihrer schmalen Tasche am Gurt verstaut.
»Siehst du, war dir sogar eine Hilfe«, sagte Bereth stolz.
»Ja, und ich zeige dir den Weg aus dieser Stadt. Aber dann trennen sich unsere Wege wieder. Das ist besser für uns beide.«
»Ich bin übrigens Bereth.«
»Interessiert mich wenig. Wie gesagt, unsere Wege trennen sich bald wieder.«
»Und wie soll ich dich bis dahin nennen? Diebin?«
»Da sind sie!«
Bervor sie darauf antworten konnten, standen plötzlich zwei Soldaten auf der Brücke, welche die beiden entdeckt hatten. Sie dachten nicht lange nach und rannten von der Brücke weg zurück zur Gasse. Das Gute an schweren Rüstungen war, dass die Männer nicht einfach von der Brücke zu ihnen runterspringen konnten und einen anderen Weg suchen mussten. Die Diebin rannte voraus mit ihren flinken Beinen und Bereth schlidderte eher hinterher. Der feuchte Untergrund machte ihm zu schaffen. Aber er dachte gar nicht mehr daran, dass er in den Fluss fallen könnte. Er besaß größere Probleme. Als sie die Gasse erreichten, hielt die Diebin abrupt an, so dass Bereth fast in sie hineingerannt wäre. Vor ihnen stand der Truppenführer, der Bereth gefangen genommen hatte und versperrte den mannsbreiten Weg.
»Lass mich dies erledigen«, erklärte Bereth und zog die geborgene Stahlklinge.
»Ich hoffe, du kannst damit umgehen«, sagte sie nur, schien aber bereits nach einem anderen Ausweg zu suchen.
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich so früh diese Waffe austesten kann«, grinste der Truppenführer und zog Barens schimmernde Klinge.
»Du willst mich mit meiner eigenen Waffe zurück in den Kerker bugsieren?«
»Der Kerker ist zu gut für euch. Ihr werdet hier sterben.«
Die Hauswände boten den beiden wenig Spielraum für ihre Angriffe und so prallten die Klingen beim ersten Angriff aufeinander. Bereth wich hastig zurück, fast überwältigt von dem wuchtigen Hieb des Gegners verursacht durch die bessere Waffe. Doch ließ er sich nicht einschüchtern und stach nach seinem Gegner. Dieser sah den Angriff kommen und lenkte die Stahlklinge mit seiner eigenen Waffe zur Seite, so dass sie gegen die Hauswand prallte. Doch genau diese verzögerte den Konterhieb des Truppenführers und Bereth wehrte den Schlag mit seiner Waffe ab. Der Soldat setzte gleich nach, schlug erneut zu und noch einmal, bis die Stahlklinge nachgab und von Barens Schwert entzweit wurde. Bereth wich zurück, entgeistert auf seine zerstörte Waffe blickend, die keine Spitze mehr trug und die Klinge war noch kürzer als bei einem Messer.
»Diese Waffe ist viel besser, als ich erwartet hätte«, lachte der Truppenführer triumphieren und preschte so schnell nach vorne, dass das Mischblut den Angriff nicht hatte kommen sehen. Der Hieb war auf seinen Brustkorp gezielt. Aber selbst Barens Klinge konnte Bereths Brustpanzer nicht durchbrechen und prallte daran ab. Der Truppenführer zeigte seine Überraschung nur kurz und hob sein Schwert zu einem Angriff auf Bereths ungeschützten Kopf. In diesem Moment sauste am Ohr des Mischbluts etwas vorbei und ein schmales Wurfmesser blieb im Arm des Soldaten stecken, genau dort wo dessen Rüstung am Schwächsten war. Bereth wartete keine Sekunde und schlug den Rest seiner Waffe wie eine Axt in den Hals seines Gegners. Mächtig viel Blut spritze aus der Wunde des Mannes, der noch mehr Blut ausspuckte und schwache Beine bekam. Er fiel auf seine Knie, versuchte mit einer Hand den Stahl aus seinem Körper zu holen und mit der anderen und Barens Schwert das Mischblut auf Distanz zu halten. Doch der Riss ihm die Waffe einfach aus der Hand und der Truppenführe fiel nun gänzlich auf den Boden seine letzten Atemstöße aushauchend.
Zuerst hatte Bereth nur Augen für seine Waffe. Dann blickte er jedoch danksuchend zu der Diebin, welche das rettende Messer geworfen hatte. Als er jedoch ihre Augen erblickte, die voller Gier auf Barens schimmernde Klinge fixiert waren, vergaß er ihre Unterstützung im Kampf schnell wieder. Sie war eine Diebin und wurde von derart kostbaren Dingen regelrecht angezogen. Misstrauisch versorgte er die Waffe in seiner Scheide und es war, als hätte sich ein Bann von der jungen Frau gelöst, die sogleich auf andere Gedanken kam.
»Schnell weg hier, bevor die anderen kommen!«
Sie entnahm dem Toten ihr Wurfmesser und rannte voraus auf die Hauptstraße, wo ihnen die Soldaten aus dem Norden entgegen kamen. Sie schrien so laut, dass die Garden am Tor ebenfalls auf den Tumult aufmerksam wurden und Soldaten von Süden aus auf sie losschickten. Die beiden wurden eingekesselt.
»Schnelle hier entlang!«, sagte die Diebin und zeigte auf eine der vielen Gassen. Bereth dachte nicht lange nach und rannte ihr hinterher.
Kaum waren sie in eine neue Gasse eingebogen, tauchten hinter ihnen Soldaten auf, die sich nun ebenfalls in den Straßen verteilten. Die Diebin führte sie zielstrebig durch die engen Wege, kannte sich aber anscheinend doch nicht ganz so gut in dieser Stadt aus wie ihre Verfolger. In jede neue Gasse, die sie einbogen, warteten bereits Soldaten am anderen Ende und versperrten ihnen den Weg. Sie kehrten jedes Mal hastig um und suchten sich einen anderen Weg, der jedoch sogleich wieder von den Wachen abgeriegelt wurde und so kamen sie ungewollt in eine Sackgasse und bald darauf wurde jeglicher Fluchtweg von einem Soldaten bewacht, die den Kreis um sie nun enger zogen. Bereth zog Barens Klinge.
»Der einzige Ausweg ist der Kampf. Gib mir erneut Rückendeckung und vielleicht kommen wir hier lebend heraus.«
Doch die Diebin antworte ihm nicht und als er zu ihr rüberblickte, stand sie auf einmal nicht mehr neben ihm. Auch die Soldaten wirkten deutlich verdutzt.
»Sie stand doch gerade noch da?«, sagte einer, der die Welt nicht mehr verstand.
»Magie! Sie muss eine Hexe sein!«, antworte einer, der glaubte zu wissen, was hier vor sich ging. »Die Wachen, welche sie gestern gefasst haben, hatten von ähnlichem gesprochen«
Bereth war sprachlos und wusste nicht, was sagen. Jetzt stand er alleine vor diesen schwerbewaffneten Soldaten. Die Diebin war ihm Erdboden versunken, so schien es. Doch das Mischblut lag falsch, denn auf einmal tauchte sie auf einem der nebenstehenden Häuserdächer auf und winkte ihm mit ihrem Lächeln zu.
»Auf Wiedersehen, Bereth, Unglücksrabe. Hier trennen sich unsere Wege!«
»Warte …«, doch da war sie bereits wieder verschwunden.
Auch die Soldaten hatten ihren kurzen Auftritt verblüfft mit verfolgt. Doch da auch sie nicht einfach so auf die Häuserdächer fliegen konnten. Richteten sie sich nun zu Bereth mit gezogenen Waffen.
»Schnappt ihn, aber lebend. Er weiß, wo die Hexe mit dem Diebesgut hinwill.«
»Ich kenne sie nicht und ich habe verdammt noch mal nichts gestohlen.«
Doch die Soldaten würden nicht auf ihn hören. Das wusste er und er blickte um sich. Er konnte nicht sagen, wie viele von ihnen ihn umkreisten. Aus jeder Gasse schienen sie zu kommen und versuchten ihn zu umschwärmen. Die vordersten trugen schwere Speere, die auf das Mischblut gerichtet waren und die Reichweite seines Schwertes übertrafen. Als Bereth für einen Moment sich auf die Männer zu seiner Linken konzentriert hatte, war einer der Soldaten zu seiner Rechten hervorgepirscht und rammte ihm nun den Speer mit voller Kraft in die Seite. Die Waffe prallte an seinem Brustpanzer ab, ohne einen Kratzer zu verursachen und durch den mächtigen Hieb, zerbrach der hölzerne Schaft des Speers. Bereth setzte sofort zum Gegenschlag aus auf den Soldaten der verdutzt seine zerstörte Waffe begutachtete. Das Mischblut zielte beabsichtigt auf den Brustpanzer seines Gegners, in der Erwartung, dass auch dieser dem Hieb standhielt und er ihn nicht töten würde. Doch Barens Klinge zischte durch den gehärteten Stahl, als wäre es nur Wolle und hinterließ eine tiefe Kerbe in der Brust des Soldaten, der blutüberströmt und schreien zu Boden ging.
Während die anderen Soldaten einen Schritt zurückwichen, um wieder aus der Reichweite des Schwertes zu gelangen, erkannte Bereth, wie zwei der Männer zu seiner Rechten, sich entfernten. Er ahnte, dass diese nicht die Flucht ergreifen wollten, sondern wohl viel eher nach Verstärkung rufen würde. Aber sie hinterließen dabei eine Schwachstelle in ihrer Barrikade und Bereth wollte nicht hier stehen bleiben, bis noch mehr Soldaten kamen.
»Du kannst nicht gewinnen«, erklärte einer der Männer in der zweiten Reihe mit einem Schwert in der Hand. »Du wirst dich für deine Taten verantworten müssen oder hier sterben.«
Als Antwort schlug Bereth mit einer schnellen Bewegung seiner Klinge einen Speer entzwei. Der unbewaffnete Mann wich hastig hinter seine Kameraden zurück und zog zögerlich sein Schwert. Sofort gab der Soldat das Zeichen zum Angriff und kurz darauf rasten drei Speerspitzen aus unterschiedlichen Richtungen auf ihn zu. Eine konnte er mit seinem Schwert abwehren, vor der Zweiten rettete ihn erneut sein Brustpanzer und die dritte Spitze traf ihn an der Wade und riss nicht nur seine Hosen auf, sondern auch seine Haut. Bereth wich nur kurz wegen dem Schmerz vor den Soldaten zurück und richtete sich sogleich wieder vor ihnen auf.
»Ich habe nichts getan, ihr dreckigen Hunde!«, brüllte er wie ein Tier und voller Zorn. Keine Spur von Verzweiflung war mehr in seiner Stimme zuhören, wie es noch zuvor der Fall gewesen war und seine dämonischen Augen funkelten blutrot. Bereth wurde von einem gewaltigen Zorn übermannt, der seine Sinne vernebelte. Der Schmerz im Bein verging sogleich und er spürte, wie die Männer sich von seiner Gestalt ängstigten, wie sie weiter von ihm zurückwichen. Doch dies steigerte seinen Blutdurst nur noch mehr und seinen Hunger nach Vergeltung.
Blitzschnell sprang Bereth über den von ihm getöteten Soldaten und auf die Männer dahinter zu. Ein weiterer Speer zerschellte an seiner Rüstung. Er bemerkte es kaum und rammte dem Mann, der nicht mehr flüchten konnte. Sein Schwert in die Kehle. Einige der Soldaten wichen vor ihm zurück stürzten in ihre Kameraden dahinter und verhinderten, deren vortreten. Währenddessen zischten Bereths Krallen über das Gesicht des Soldaten, der vorher noch die Befehle erteilt hatte und sein Schwert durchstieß die Brust eines anderen nur Sekundenbruchteile später und auf einmal, stand die Gasse vor ihm offen. Er dachte nicht lange nach, konnte in diesem Zustand auch nicht mehr denken und rannte einfach los. Die Soldaten folgten ihm nur sehr zögerlich.
Bereth gelangte schnell wieder auf die Hauptstraße. Doch dort erwarteten ihn nur mehr Gegner. Die Bewohner waren in ihre Häuser zurückgekehrt oder bestaunten aus sicherer Entfernung das Schauspiel, welches ihnen geboten wurde. Der Hauptmann Garrison war anscheinend zurückgekehrt und dies mit einem guten Dutzend weiteren Männer. Sie versperrten ihm den Weg nach Norden aus dieser verfluchten Stadt heraus, während aus den Gassen, die Vorhut nachrückte. Bereth war noch immer im Kampfrausch und griff an, ohne weiter nachzudenken. Zwei Soldaten mit Schwertern kamen ihm entgegen. Doch Bereth war schneller als der erste, der blutüberströmt auf den Pflaster stürzte und wich mühelos dem Schwerthieb des zweiten aus, bevor er diesem seine Klinge durch den Magen rammte. Die Schutzbekleidung nutzte nichts im Angesichts Bereth Kraft und Barens Schwert.
Kaum hatte er die Klinge aus dem Körper des Toten gezogen, musste er dem nächsten Angriff ausweichen. Ein Schwert zischte nur haarscharf an seinem ungeschützten Kopf vorbei und der zweite Angriff folgte. Bereth konnte diesen gerade noch mit seiner eigenen Waffen abblocken. Aber er musste zurückweichen, bevor er sich zu dem Angreifer wenden konnte. Es handelte sich um den Hauptmann persönlich, der ein Lächeln aufgelegt hatte, als hätte er endlich jemanden gefunden, den es wert war, zu töten.
»Na endlich zeigst du dein wahres Gesicht. Leichkrieger? Dass ich nicht lache. Du trägst dämonisches Blut in dir. Schade benötigen wir dich lebendig.«
Bereth attackierte ihn, ohne die Worte, die dieser erzählte, wirklich verstehen zu können. Sein Schwert schlug mehrmals auf den Hauptmann ein, dieser parierte die Angriffe jedoch fast mühelos, ohne selbst einen Gegenangriff auszuführen.
»Ich werde dir zeigen, dass mehr nötig ist, um einen Kampf zu gewinnen als nur eine gute Ausrüstung.«
Garrison ließ Bereth kommen und wich dessen Hieb aus. Er schlug absichtlich mit seinem Breitschwert auf Bereths Brustpanzer. Die Klinge trat, wie erwartet, nicht hindurch. Trotzdem war es wie ein Hieb in den Bauch der schmerzte. Aber das Mischblut attackierte weiter, als wäre nichts geschehen. Der Hauptmann wich weiter den unbeholfen wirkenden Angriffen seines Gegners aus. Schlug immer wieder auf dessen Brustpanzer, als wollte er ein wildes Tier mit Bestrafungen und Schmerzen zähmen. Doch Bereth ließ sich nicht zähmen und griff weiter an, bis Garrison das Spiel leid wurde.
»Weißt du, vor einigen Jahren da war ich genau so grün wie du und wie die meisten dieser Soldaten. Hier kann man einfach Geld verdienen, wenn man sich der Garde anschließt und dafür muss man nicht einmal viel können. Aber dann tauchen Leute wie du auf und auf einmal muss man um sein Leben kämpfen. Ich hatte diese Erfahrung vor einigen Jahren selbst gemacht. Seither trainiere ich mich selbst jeden Tag in der Kunst des Schwertkampfes. Du kannst mich nicht besiegen, Dämonenblut.«
Dieses Mal griff der Hauptmann an. Bereth parierte den Schlag einhändig mit seinem Schwert und seine Krallen zischten auf das Gesicht von Garrison zu. Doch Bereth sah den zweiten schnellen Schwerthieb nicht kommen, der ihn quer über die Stirn erwischte. Er fiel rücklings auf den Boden. Sein dämonisches Blut hatte aufgehört zu brodeln und auf einmal spürte er den ganzen Schmerz seiner Prellungen und der Schnittwunde an der Stirn. Er fasste sich an die Verletzung und starrte auf das Blut in seiner Hand und dann zu Garrison, der ebenfalls eine Kerbe davon getragen hatte. An seiner Wange zeigte sich ein tiefer Schnitt, verursacht durch Bereths Krallen. Doch nicht lange kümmerte er sich, um seine Wunde und thronte vor dem gestürzten Bereth und richtete sein Schwert gegen ihn.
»Ihr beiden widerlichen Dieben. Ihr hattet von Anfang keine Möglichkeit davonzuommen. Wir wussten, dass ihr kommt. Wir haben einen anonymen Tipp bekommen. Da staunst du, was? Irgendjemand will euch aus dem Weg haben. Gibst du nun auf?«
»Ich habe dir bereits gesagt, ich habe nichts mit dem Diebstahl zu tun!«, schrie Bereth und schlug mit Barrens Klinge gegen die Waffe des Hauptmanns und spaltete diese. Garrison wich sofort vor Bereth zurück, der schnell wieder auf die Beine kam und befahl seinen Soldaten, diesen zu fassen, während er sich ein neues Schwert bei einem seiner Männer holte. Doch die Soldaten fürchteten Bereth und versuchten ihn nur zögerlich zu umzingeln. Das Mischblut fackelte nicht lange und rannte auf einen der Soldaten zu, der erschrocken versuchte seinen Speer einzusetzen. Doch in der Hast Bereth verfehlte. Dieser rammte den Mann mit der Schulter, um ihn aus dem Weg zu bugsieren. Sofort kam ihm ein Schwertkämpfer in die Quere. Bereth schlug ihm mit einem Hieb den Waffenarm ab, ließ den Verletzten liegen und rannte los. Er wollte nur noch fliehen.
Während Bereth hörte, wie der Hauptmann fluchte und er bei einem kurzen Blick zurück, herausfand, dass er die Soldaten in ihren schweren Rüstungen bereits ein gutes Stück hinter sich gelassen hatte, übermannte ihn ein neues Gefühl. Dieses Mal hatte es nichts mit seinem dämonischen Blut zu tun. Es passierte etwas mit ihm, vordem keine seiner Abstammungen ihn bewahren konnte. Ein Schwächeanfall. Bereth hatte seit mehr als einem Tag nichts gegessen, kaum geschlafen und vor allem auch nichts getrunken. Die anstrengenden Kämpfe und das Rennen zeigten nun ihre Wirkung. Bereth stolperte, schürfte sich das Knie auf, kam aber schnell wieder auf die Beine. Doch wurde es ihm schwindlig und seine Sicht war nur noch verschwommen. Er sah, wie einige Passanten aus seinem Weg gingen und wie in Trance sprang er weiter. Er versuchte noch einmal all seine Kräfte zu sammeln, als er mit seiner geschwächten Sicht erkannte, dass die Häuserreihen zu seiner Seiten verschwanden und vor ihm grün und braun wartete. Er rannte in den Wald, in der Hoffnung dort etwas Ruhe zu finden. Doch die Soldaten hatten zu ihm aufschließen können und versuchten ihn noch einmal im Wald zu stellen. Bereth achtete kaum auf sie, versuchte nur noch zu fliehen. Wenn immer in seine verschwommene Sicht etwas Purpurnes kam, dann schlug er so lange darauf ein, bis es sich rot verfärbte und rannte einfach weiter. Nicht wenige Male musste sein Brustpanzer tödliche Hiebe abblocken und ab und zu zischte ein Pfeil an seinem Kopf vorbei, der am nächsten Baum zitternd stecken blieb oder an einem Felsen zerschlug.
Immer noch wirkte für ihn alles wie in einem Traum, weil all die bekannten Formen dieser Welt zu verzerrten Farbkleckser verschwammen. So begriff er selbst kaum, warum er auf einmal anhielt und sich gegen seine Verfolger drehte, während er seltsamerweise seine Klinge zurück in die Scheide legte. Die Soldaten hielten an, überrascht von der Wende der Geschehnisse und wagten es kaum dem Mischblut, der eindeutig irgendetwas vorhatte, zu nahe zu kommen. Die Arme nach vorne streckend, aus Gründen, die er nicht begreifen konnte, bildete er folgende Worte, ohne ihre Bedeutung zu kennen, ohne zu wissen, warum er sie sprach oder woher er sie kannte und ohne sich jemals wieder an sie zu erinnern oder an die Folge, welche seine Worte hervor beschworen:
Kräfte der Erde,
fundamentales Element aller Kräfte,
Grundstein allen Lebens,
Brecher von Fels und Stein
und Erschaffer von weiten Gebirgen,
leiht mir eure Kräfte,
welche den Untergrund erbeben lassen,
Felsen spalten und Steine zertrümmern.
fundamentales Element aller Kräfte,
Grundstein allen Lebens,
Brecher von Fels und Stein
und Erschaffer von weiten Gebirgen,
leiht mir eure Kräfte,
welche den Untergrund erbeben lassen,
Felsen spalten und Steine zertrümmern.
Seine Hände fingen an grünlich zu leuchten, als wären sie von einer Staubschicht umschlungen, welche sich nun von seiner schwarzen Haut absonderte, wie vom Wind getragen, zu den Soldaten flog und dort im Boden versickerte. Für einen Moment geschah rein gar nichts und die Männer, die das Phänomen bestaunt hatten, wollten Bereth wieder attackieren, als der Boden unter ihren Füßen zu beben begann; genug stark, dass sie kaum mehr auf den Beinen stehen konnten und Speere oder Kamerad als Stütze benötigten. Der Untergrund wölbte sich, wie ein Stück Pergament, welches von beiden Seiten zusammengedrückt wurde, dann brach der Boden auf. Ein gewaltiger Spalt bildete sich, welcher die Soldaten und die umliegenden Bäume wie ein monströses Tier in seinen hungrigen Schlund verschlang, sie zermalmte und in der Erde vergrub, als der Spalt sich einfach wieder schloss und die qualvollen Schreie, der vom Boden verschluckten Männer verstummen ließ.
Die Szenerie kaum wahrgenommen und bereits wieder vergessen, torkelte Bereth weiter, tiefer in den Wald hinein. Es war ihm egal in welche Richtung er ging und er bemerkte auch nicht, dass dieses Schauspiel eine weitere Person verfolgt hatte. Sie hatte den ganzen Kampf gesehen, wenn auch aus weiter Ferne und nun folgte sie dem Mischblut in den Wald.
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